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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Krankenlager erschien und ihr seine Anteilnahme aussprach, prallten seine Worte an ihr ab. Es war ihr gleichgültig, als er sie darüber informierte, dass die Stangenknechte Schwester Theodora in den Brückenturm überstellt hatten, wo sie noch am selben Tag einer peinlichen Befragung unterzogen werden sollte. Bevor der Schultheiß wieder aufbrach, hüstelte er verlegen und entschuldigte sich bei der Hurenkönigin für die voreilige Kündigung, die selbstverständlich, wie er betonte, zurückgezogen worden sei. Ursel hatte gar nicht richtig zugehört, sie blickte ihn nur unbeteiligt an.
    Gegen Abend richtete sie sich von ihrem Krankenlager auf und sagte zu Bernhard: »Bring mich nach Hause.«
    Der Gelehrte, den der Tod der Lohnsetzerin gleichermaßen mitgenommen hatte, erwiderte besorgt: »Kannst du denn überhaupt laufen?«
    »Wird schon gehen«, murmelte Ursel. Sie richtete sich unsicher auf, aber ihre Beine waren so wackelig, als würden sie gar nicht zu ihr gehören. Auf Bernhard gestützt, verließ sie den Krankensaal wie eine gebrechliche alte Frau.
    Schließlich kamen sie vor dem Frauenhaus an, wo sich mehrere Huren um den Dempelbrunnen versammelt hatten. Beim Anblick der geschwächten Hurenkönigin fragten sie erschrocken, was denn passiert sei, und die Zimmerin entgegnete mit brüchiger Stimme: »Ingrid ist tot …«
    Ohne auf die Aufschreie und das Wehklagen der Huren zu achten, schleppte sich Ursel mit hängenden Schultern bis zur Tür, wo sie stehen blieb und zu Bernhard sagte: »Bitte lass mich jetzt allein.«
    Während sie mühsam die Treppe hinaufstieg, sah ihr Bernhard fassungslos hinterher. Dann ließ er sich auf die Stufen vor dem Eingangsportal sinken, barg sein Gesicht in den Händen und schluchzte haltlos.

12
    Mittwoch, 3. August 1511
      Die junge Köhlerfrau, die in den frühen Morgenstunden im Sachsenhäuser Forst Blaubeeren und Eierschwämme sammelte, sah sich immer wieder verstohlen um. Sie fürchtete, einer von den Forstarbeitern oder gar der Waldaufseher selbst könnte in der Nähe sein, um ihr die Ausbeute streitig zu machen. Ihre beiden Körbe waren nämlich schon fast randvoll mit Pfifferlingen und tiefblauen Beeren. Damit würde sie ihrem Mann herrliche Gerichte zubereiten! Blaubeerkompott mit Mehlklößen, Pfannkuchen mit Pfifferlingen, die ganze Woche könnten sie sich satt essen und brauchten nicht zu hungern. Beim Gedanken an solche Köstlichkeiten überkam die junge Frau, die im achten Monat schwanger war, ein solcher Heißhunger, dass sie sich auf einem liegenden Baumstamm niederließ und sich händeweise Blaubeeren in den Mund schaufelte. Der Saft rann ihr übers Kinn, sie wischte ihn ab und seufzte genussvoll. Mit einem glücklichen Lächeln strich sie über ihren gewölbten Leib, in dem sich ihr Kind regte. Sie freute sich unsagbar darauf, es bald in den Armen zu halten. Es war ihr erstes, sie war ja auch noch nicht mal ein Jahr verheiratet. Sie lächelte versonnen und erhob sich.
    Schwer atmend ging sie weiter. Es war wieder sehr heiß, und das um diese frühe Stunde. Sie hielt zwischen den Baumstämmen hindurch nach Blaubeerbüschen Ausschau, denn der Korb mit den Beeren war merklich leerer geworden, und sie würde noch ein paar pflücken müssen. Doch es war wie verhext, sie konnte keine mehr entdecken. Sie wollte auch nicht zu weit in den Wald hinein, denn dort war die Gefahr, auf den Oberförster oder die Holzleute zu treffen, viel größer. Außerdem fühlte sie sich plötzlich so erschöpft, und ihr wurde ein wenig schwindlig. Sie sah sich unschlüssig um. Dahinten waren die Fischteiche, von da war sie gekommen. Also musste sie sich in diese Richtung halten, um zurück zur Hütte zu gelangen. Kurzerhand beschloss sie jedoch, nicht den Trampelpfad zu den Teichen einzuschlagen, und bahnte sich stattdessen den Weg durchs Tannendickicht.
    Da flatterte ganz in der Nähe geräuschvoll ein Schwarm Vögel auf, und sie fuhr zusammen. Hatte sie selbst die Tiere aufgeschreckt? Sie ließ ihre Blicke über den weichen, moosigen Waldboden schweifen und entdeckte nur einen Steinwurf entfernt eine Vielzahl leuchtend gelber Eierschwämme. Die Pilze standen dicht an dicht, und schon nach kurzer Zeit war der Korb übervoll.
    Als die Schwangere sich wieder aufrichtete und noch tiefer in den Tannenwald vordrang, stieg ihr ein fauliger Geruch in die Nase. Vermutlich Stinkmorcheln, dachte sie naserümpfend und hielt weiterhin nach Blaubeeren Ausschau. Doch auf einmal war sie von einer

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