Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
bestimmt die Mäuler zerreißen …«
    »Sollen sie doch!«, erwiderte Frau Schütz trotzig. »Die haben doch alle selber genug Dreck am Stecken, die feinen Herrschaften. Außerdem, mein Kind, bin ich in einem Alter, in dem man sich nichts mehr vorschreiben lässt«, erklärte sie mit spitzbübischem Lächeln und führte Ursel in die behaglich eingerichtete Wohnstube, wo sie ihr einen Platz anbot.
    Frau Schütz verschwand in der Küche und kehrte mit Gebäck und einer Glaskaraffe zurück, die sie auf den Tisch stellte. Während sie die grünliche Flüssigkeit in zwei kleine Becher füllte, sagte sie: »Das ist Kräutergeist, den ich selber herstelle. Er hilft gegen jedes Zipperlein, hat mein verstorbener Mann immer gesagt und ihn mitunter auch den Kranken verabreicht. Ihr müsst wissen, dass ich meinen Mann bei seiner Arbeit immer unterstützt habe. Ich bin ausgebildete Hebamme, und im Laufe der Jahre ist aus mir auch ein halber Arzt geworden. Schon immer habe ich mich für die Heilkunst interessiert, und mein Gatte hat oft meinen Rat eingeholt, wenn er nicht mehr weiterwusste. Zu unseren Patienten zählten auch die städtischen Hübscherinnen. Früher hat es ja in Frankfurt sogar zwei Frauenhäuser gegeben.«
    »Ich weiß«, erwiderte Ursel. »Und heute gibt es nur noch eines – und auch das wird sich nicht mehr lange halten können.«
    »Ihr meint, wegen der Lustseuche?«
    Ursel nickte bekümmert. »Die verdammte Geschlechterpest – das ist der Untergang unseres Gewerbes.«
    »Das glaube ich zwar nicht, denn das älteste Gewerbe der Welt ist doch nicht so schnell kleinzukriegen, das wird sich auch trotz der Krankheit noch halten können. Aber die Seuche stellt schon eine schlimme Einschränkung für das Liebesleben der Menschen dar.« Die alte Dame seufzte besorgt. »Als mein verstorbener Mann von den ersten Krankheitsfällen hörte, hat er gesagt, die Lustseuche sei schlimmer als die Pest, sie treffe den Menschen an der Wurzel seines Daseins. Kurze Zeit später ist er dann gestorben. Das war vor zwei Jahren, und ich vermisse ihn noch immer. Wir waren über fünfzig Jahre verheiratet und sehr glücklich miteinander.« Ein Schatten der Trauer huschte über das faltige Gesicht.
    Ursel sah sie mitfühlend an. Sie war bestimmt einmal eine sehr schöne Frau, dachte sie bei sich, als Frau Schütz ihren Becher hob, um mit ihr anzustoßen. Die Schärfe des Weinbrands und das würzige Kräuteraroma breiteten sich angenehm in Ursels Kehle aus.
    Frau Schütz lächelte die Hurenkönigin verschwörerisch an. »Ihr seid doch bestimmt schon wieder am Ermitteln?«, erkundigte sie sich augenzwinkernd. »Oder wollt Ihr mir etwa weismachen, dass Ihr rein zufällig in der Gegend seid?«
    Ursel sah sie begriffsstutzig an, und die alte Dame versuchte ihr ein wenig auf die Sprünge zu helfen: »Na ja, wo doch die Uffsteiners direkt gegenüber wohnen!«
    »Ach so? Das wusste ich gar nicht«, gestand Ursel überrascht. Sie überlegte einen Moment, aber nachdem sie sich in der Gesellschaft der Arztwitwe so wohl fühlte, beschloss sie spontan, Frau Schütz reinen Wein einzuschenken. »Mein Gefährte Bernhard von Wanebach wohnt ebenfalls in der Neuen Kräme, und ich hatte gehofft, ihm vielleicht zu begegnen. Wir … wir haben uns nämlich überworfen.«
    Die alte Frau, die sah, wie aufgewühlt Ursel war, legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Das renkt sich bestimmt wieder ein, mein Kind, da bin ich mir ganz sicher. Ihr zwei seid doch wie füreinander geschaffen! Der Blick, mit dem er Euch damals angesehen hat, der Herr von Wanebach, als Ihr im Rathaussaal die Rede gehalten habt – das war die reine Liebe. Ich habe schon immer große Hochachtung vor ihm gehabt, weil er allen Anfeindungen zum Trotz so unerschütterlich zu Euch steht.«
    Ursel fühlte, wie ihr der Schmerz die Kehle zuschnürte, doch sie mochte nicht vor der alten Frau in Tränen ausbrechen. Daher ergriff sie ihren Becher, lächelte Frau Schütz tapfer an und murmelte mit belegter Stimme: »Auf Euer Wohl! Ich bin froh, dass ich Euch begegnet bin.«
    »Ganz meinerseits«, erwiderte Else Schütz erfreut und beschloss, das Thema zu wechseln. »Ich habe gehört, dass man eine Eurer Hübscherinnen verhaftet hat. Sie steht angeblich im Verdacht, den grausamen Mord an Uffsteiner begangen zu haben. – Was haltet Ihr davon?«
    »Absoluter Unfug!«, erwiderte Ursel entrüstet. »Nur weil sie vorher im Streit zu Uffsteiner gesagt hat, einer wie er gehöre kastriert, wollen ihr die

Weitere Kostenlose Bücher