Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
mehr kann ich nicht sagen. Ich … ich …«
    Der Untersuchungsrichter platzte förmlich vor Ungeduld. »Jetzt rede Er schon!«, herrschte er Dinges an.
    »Ich möchte Euch nur herzlich bitten, Herr Richter, dem Rat nichts davon zu sagen, sonst verlier ich noch meine Arbeit, und das wär ganz schlimm, wo ich doch daheim acht hungrige Mäuler zu stopfen hab«, stieß Dinges hervor. Er war den Tränen nahe.
    Fauerbach musterte ihn mitleidlos. »Den Gefallen kann ich Ihm leider nicht tun, die Wahrheit muss ans Licht«, erklärte er kalt. »Aber natürlich werde ich keinesfalls dulden, dass jemand für seine Ehrlichkeit bestraft wird. Darauf kann Er sich verlassen«, fügte er entschlossen hinzu, ließ die Fuhrknechte ihre Kreuze unter das Protokoll setzen und entließ sie mit einem spröden Lächeln.

    Am Mittwochnachmittag hielt es die Hurenkönigin nicht mehr länger aus. Sie streifte ihren Umhang über und verließ energischen Schrittes das Frauenhaus.
    Während sie die Alte Mainzer Gasse entlangging, den Römerberg überquerte und in die Neue Kräme einbog, wurde ihr Schritt indessen immer verhaltener, was nicht allein am Messegetümmel lag. Was ihren Elan dämpfte, war vor allem die Angst vor der eigenen Courage. Sie hatte Bernhards Wohnbezirk aufgesucht in der Hoffnung, ihm dort vielleicht zu begegnen. Je näher sie seiner Behausung kam, desto aufgeregter wurde sie. Obgleich sie noch ein ganzes Stück vom Hause des Geliebten entfernt war, klopfte ihr das Herz bis zum Halse. Ich glaube, ich falle in Ohnmacht, wenn er mir wirklich über den Weg läuft, dachte sie bange und schalt sich selbst einen Hasenfuß. Mit angehaltenem Atem betrachtete sie die vorübereilenden Passanten, ob Bernhard vielleicht unter ihnen war, als sie im Erdgeschossfenster eines schmucken Fachwerkhauses das Gesicht einer alten Frau gewahrte, die gelassen auf das Menschentreiben blickte. Als sich ihre Blicke kreuzten, lächelte ihr die Alte freundlich zu und öffnete das Fenster.
    Ursel hob grüßend die Hand und ging hinüber. »Gott zum Gruße!«, rief sie der Frau zu und raffte unwillkürlich ihren Umhang zusammen, um ihr gelbes Hurengewand zu verbergen.
    Doch das erwies sich als überflüssig. »Ihr seid doch die Hurenkönigin Ursel Zimmer, die so tapfer gegen das teuflische Adelspaar aus Sachsenhausen gekämpft hat?«, fragte die grauhaarige Dame sie mit verblüffender Offenheit, während ihre Augen vor Vergnügen aufblitzten.
    Ursel lächelte geschmeichelt und erstaunt. »Woher kennt Ihr mich?« Sie konnte sich nicht erinnern, der Dame schon jemals begegnet zu sein.
    »Mein Name ist Else Schütz, ich bin die Mutter von Doktor Schütz, dem Stadtphysikus. Den kennt Ihr doch gewiss?«
    Ursel nickte. »Aber natürlich!«, erklärte sie lachend. »Doktor Schütz ist doch seit vielen Jahren unser Hausarzt. Ich schätze ihn sehr.«
    »Das freut mich zu hören. Er schätzt Euch übrigens auch. Und als der Bürgermeister Euch und den anderen Hübscherinnen im Januar das Bürgerrecht verliehen hat, durfte ich meinen Sohn und seine Gattin zu dem feierlichen Anlass ins Römerrathaus begleiten. Es war ein ganz besonderer Tag für mich, unsereiner kommt ja nicht mehr so oft unter die Leute. Ich habe die Feier sehr genossen und muss zugeben, dass mir bei Eurer Rede sogar die Tränen gekommen sind, so ergreifend habt Ihr gesprochen. Das will was heißen, denn als Arztgattin hat man ja schon manches erlebt und ist nicht so leicht aus der Fassung zu bringen«, plauderte die alte Frau redselig. Plötzlich hielt sie inne. »Wie unhöflich von mir!«, rief sie. »Ich schwadroniere drauflos, und Ihr steht immer noch draußen auf der Gasse herum. Wollt Ihr nicht zu mir hereinkommen, mein Kind, und ein Kräuterschnäpschen mit mir trinken?«
    Ursel war von der Warmherzigkeit der alten Dame derart beeindruckt, dass ihr zunächst die Worte fehlten.
    »Gerne«, sagte sie schließlich und strebte der Tür zu. Gleich darauf öffnete ihr Frau Schütz und ließ sie eintreten.
    Ursel war tief bewegt. Sie hätte die alte Frau umarmen können, so freute sie sich über die unerwartete Freundlichkeit. »Ich bin schon fünfundfünfzig Jahre alt und erlebe es gerade zum ersten Mal, dass eine Dame von Stand so zuvorkommend zu mir ist – wo ich doch einem verpönten Gewerbe angehöre«, erklärte sie und drückte Frau Schütz dankbar die Hand. »Ich meine, wenn das jemand aus Eurer Nachbarschaft gesehen hat, dass Ihr eine Frauenhauswirtin ins Haus lasst, werden sie sich

Weitere Kostenlose Bücher