Die Hurenkönigin und der Venusorden
hohen Herren jetzt die Tat anhängen. Ich habe ihm auch so manches an den Kopf geworfen in dieser Nacht, so grob, wie er sich aufgeführt hat.«
Frau Schütz, die der Hurenkönigin aufmerksam zuhörte, nickte verständig. »Der Mann war auch ein Schurke«, schnaubte sie. »Ihr glaubt ja gar nicht, wie oft wir die Stangenknechte gerufen haben, mein Mann und ich, wenn der Kerl wieder einmal seinen Rappel gekriegt und seine Frau misshandelt hat. Mehrfach haben wir sie sogar verarztet, die Arme. Sie konnte einem von Herzen leidtun. Alle, die es gut mit ihr meinten, vor allem ihre Tochter Gertrud, haben ihr immer wieder ans Herz gelegt, sich doch von diesem Schuft zu trennen. Doch das hat sie nie getan.« Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Ich muss zugeben – und da stehe ich gewiss nicht alleine da –, dass ich über Uffsteiners Tod nicht sonderlich traurig bin. Natürlich hätte ich ihm ein so schlimmes Ende nicht gewünscht, so etwas wünscht man ja niemandem. Aber den hat doch keiner leiden können, die Leute aus der Nachbarschaft nicht, seine Geschäftskollegen nicht, die Herren vom Rat nicht, sein Schwager nicht und seine Tochter schon gar nicht. Die Gertrud war überhaupt die Einzige, vor der dieser ungehobelte Grobian einen gewissen Respekt hatte. Nur die arme Genoveva konnte ihm nichts entgegensetzen. Mich erinnerte sie immer an ein verängstigtes Mäuschen. Man soll ja über einen Toten nichts Schlechtes sagen, aber für die arme Frau ist es doch der reinste Glücksfall, dass er nicht mehr da ist.«
Ursel war während ihrer Ausführungen immer nachdenklicher geworden. »Empfindet sie das denn ebenso?«, fragte sie ernst.
»Das kann man so nicht sagen«, erwiderte Frau Schütz ausweichend. »Sie scheint über den Verlust ihres Gatten untröstlich zu sein. Ich war ja gestern bei ihr, um zu kondolieren. Aber es hat mich gleichzeitig doch ein wenig befremdet, dass sie dann heute Morgen spazieren gegangen ist. Sie hatte den Hund dabei und ist Richtung Main abgebogen …«
Ursel runzelte irritiert die Stirn. »Sie wollte vielleicht einfach an die frische Luft?«
»Genau das ist es ja, was ich so sonderbar finde«, erwiderte die alte Dame. »Sie ist viele Jahre lang überhaupt nicht mehr vor die Tür gegangen. Hat sich daheim in ihrem Mauseloch verkrochen, die arme Genoveva. Und ausgerechnet jetzt, wo ihr Mann ermordet wurde, geht sie wieder aus. Das ist doch seltsam …«
»Allerdings«, stimmte ihr die Zimmerin zu. »Vielleicht ist sie ja doch erleichtert, dass ihr Peiniger tot ist. Verdenken könnte man es ihr jedenfalls nicht.«
»Weiß Gott nicht«, bekräftigte Frau Schütz erbittert.
»Dann hätte sie wohl gute Gründe gehabt, ihrem Mann nach dem Leben zu trachten«, murmelte Ursel gedankenversunken.
Frau Schütz schüttelte heftig den Kopf. »Dieses arme Mäuschen soll ihn so bestialisch abgeschlachtet haben? Nie und nimmer. Sie hatte doch viel zu viel Angst vor ihm. Nein, nein, da kommen ganz andere Leute in Betracht. Der hatte doch Feinde wie Sand am Meer, der Herr Senator Uffsteiner.«
»Das ist ja interessant«, sagte die Hurenkönigin interessiert. »Fällt Euch da jemand Bestimmtes ein?« Sie blickte die alte Dame eindringlich an.
Diese entgegnete unbehaglich: »Ich möchte ja keine falschen Verdächtigungen äußern, aber …« Frau Schütz, die offensichtlich fürchtete, Gerüchte zu verbreiten, verstummte. Doch nun war der kriminalistische Instinkt der Hurenkönigin geweckt. »Bitte sagt es mir!«, bat sie inständig. »Es könnte wichtig sein und dazu beitragen, den Mordfall aufzuklären.«
Die Arztgattin holte tief Luft und erklärte: »Na gut, wenn es der Wahrheitsfindung dient. – In der Nacht, in der Uffsteiner ermordet wurde, habe ich draußen auf der Straße ein dumpfes Poltern gehört. Auf meine alten Tage schlafe ich ja nicht mehr so fest. Ich bin also aufgestanden und ans Fenster gelaufen, um nachzuschauen, was los ist. Da stand eine Kutsche vor dem Haus der Uffsteiners, die ist dann aber gleich weggefahren. An der Tür konnte ich einen Mann ausmachen, der den Türklopfer betätigte und mit gedämpfter Stimme Einlass begehrte. Es dauerte eine ganze Weile, bis im Haus die Lichter angegangen sind, und dann hat jemand mit der Laterne in der Hand die Tür geöffnet und den Besucher eingelassen.« Die alte Dame schwieg einen Moment und musterte die Hurenkönigin beklommen. »Im Licht der Laterne war das Profil des Mannes zu sehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Herr
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