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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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gefahren ist, weiß ich schon seit heute Mittag, als ich die städtischen Fuhrknechte zu den Ereignissen befragt habe. Einer von ihnen hat genau das zu Protokoll gegeben.«
    Nun war es an der Zimmerin, zu staunen. »Ihr habt diesbezüglich Erkundigungen eingezogen?«, fragte sie und musterte den Untersuchungsrichter ungläubig.
    »Wie es meine Amtspflicht ist«, schnarrte dieser. »Oder glaubt Ihr etwa, ich sitze den ganzen Tag auf der Ofenbank und drehe Däumchen?«
    »Keineswegs«, beeilte sich Ursel zu versichern. »Ich bin nur einen solchen Eifer nicht unbedingt gewöhnt … bei einem städtischen Beamten.«
    Fauerbach funkelte die Hurenkönigin verärgert an. »Wenn Sie frech werden will, lass ich Sie hinauswerfen«, schnaubte er.
    »Nein, nein«, wiegelte Ursel ab. »Im Gegenteil, ich wollte Euch eigentlich ein Kompliment aussprechen für Eure Tüchtigkeit …«
    »Wir nehmen das zur Kenntnis«, erwiderte Fauerbach und verzog die schmalen Lippen zu einem spöttischen Grinsen. »Wenn das alles ist, kann Sie wieder gehen …«
    »Ich verbitte mir einen solchen Tonfall!«, brauste Ursel unversehens auf. »Ich bin nicht Eure Gesindemagd, sondern eine Bürgerin der Stadt Frankfurt. Und als eine solche möchte ich auch behandelt werden, und wenn ich zehnmal die Frauenhauswirtin bin«, schimpfte sie erbost. Dabei funkelte sie den Richter aus schwarzen Augen so stolz an, dass dieser beschämt den Blick senkte.
    »Danke für Euren Hinweis«, rang er sich schließlich ab, »aber ich habe noch zu arbeiten.«
    »Das meine ich aber auch!«, knurrte die Hurenkönigin. »Dann spitzt jetzt mal Eure Ohren und hört mir gut zu – ich bin nämlich noch nicht fertig.«
    Fauerbach verdrehte genervt die Augen. »Was gibt es denn noch?«
    »Frau Doktor Schütz hat außerdem noch beobachtet, wie Senator Neuhof kurze Zeit später mit einer Fackel in der Hand aus dem Haus gestürzt und die Neue Kräme hinunter zum Römerberg gelaufen ist. Laut ihrer Aussage sah es eindeutig so aus, als würde Neuhof jemanden suchen. Wer dieser ›jemand‹ gewesen sein könnte, muss ich ja wohl nicht erläutern.« Die Zimmerin hatte den Richter nicht aus den Augen gelassen. Als dieser unmerklich zusammenzuckte und reflexartig nach der Feder griff, spiegelte sich auf ihrem markanten Gesicht eine stille Genugtuung.
    »Das ist ja interessant«, murmelte er, während er sich eifrig Notizen machte. Dann zog er die Stirn in Falten und erklärte zerstreut: »Ich werde der Sache nachgehen. Danke für Eure Bemühungen.«
    Ursel räusperte sich und fragte mit belegter Stimme: »Und was geschieht jetzt mit der Hübscherin? Habt Ihr immer noch vor, sie einem peinlichen Verhör zu unterziehen? Ich meine, es gibt ja nun auch andere … Verdachtsmomente …«
    »Das Verhör ist für morgen Vormittag angesetzt, und dabei bleibt es auch«, erklärte Fauerbach schroff. In amtlichem Tonfall fügte er, als er Ursels empörte Miene gewahrte, hinzu: »Ich sehe keinen Grund, es ausfallen zu lassen, und auch der Rat legt größten Wert darauf, dass es stattfindet.«
    »Na dann gut Nacht«, raunzte die Gildemeisterin sarkastisch, erhob sich von ihrem Stuhl und verließ mit einem finsteren Blick auf den Untersuchungsrichter die Amtsstube.

7
    Donnerstag, 29 . März 1512
    »Aus Ulm kommen sie, diese Venusschwestern?«, fragte der alte Mönch und musterte Bernhard von Wanebach aufmerksam.
    Dieser nickte bestätigend. Pater Rufus, im Dominikanerkloster seit mehr als fünfzig Jahren Experte für ketzerische Schriften und häretische Sekten, erhob sich ächzend hinter seinem mit schweren Folianten beladenen Schreibtisch und humpelte zu einem der Bücherregale, welche die kleine Klosterzelle bis zum letzten Winkel ausfüllten.
    Der gelehrte Geistliche war nicht nur Bernhards Lieblingsoheim, sondern auch sein Mentor, mit dem ihn eine tiefe Seelenverwandtschaft verband, waren sie doch beide die schwarzen Schafe der Familie. Während Bernhard durch seine eigenwillige Lebensführung und die Liaison mit der Hurenkönigin die Gemüter der Adelsfamilie erregte, so kreidete man Rufus, über den gemunkelt wurde, ihm sei im Laufe seiner Studien die nötige Distanz zum Ketzerwesen abhandengekommen, seinen mangelnden Ehrgeiz an. Er zeigte keinerlei Interesse daran, in der Hierarchie der Kirche aufzusteigen. Immer schon ein wenig ungelenk und menschenscheu, bot der Ordenseintritt Rufus vor allem die Möglichkeit, sich ungestört seinen Studien zu widmen. Ein hohes geistliches Amt hätte ihn dabei

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