Die Hurenkönigin und der Venusorden
und begnügte sich stattdessen mit einer kargen Laugenbrezel von einem Backwarenstand.
Vor dem Hause Uffsteiner würgte er hastig den letzten Bissen hinunter und verschluckte sich zu allem Übel noch daran. Er musste so heftig husten, dass ihm die Tränen kamen, und es dauerte einige Zeit, bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte.
Als sich selbst nach mehrfachem nachdrücklichem Klopfen an der Haustür noch immer nichts regte, rief er aufgebracht und auch ein wenig heiser: »Ist denn hier keiner zu Hause?«
Er trat ein Stück zurück und blickte grimmig auf die schmucke Hausfassade mit der spiegelnden Fensterfront, hinter der weder ein Lichtschein noch eine Gestalt zu sehen war.
Eine Frauenstimme hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. »Die sind weggefahren«, sagte sie.
Er drehte sich um und gewahrte im Hause gegenüber eine alte Dame, die sich aus einem der Fenster beugte und ihm ein Zeichen gab.
Hastig ging Fauerbach zu ihr und murmelte dabei fassungslos: »Das kann doch wohl nicht wahr sein!«
»Doch, doch«, beharrte die Nachbarin. »Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen gesehen. Zuerst ist die Kutsche vorgefahren, das muss so um die dritte Nachmittagsstunde gewesen sein. Dann haben der Hausknecht und die Köchin das Reisegepäck herbeigetragen und auf dem Kutschendach vertäut. Da dachte ich mir schon, na, die scheinen ja auf große Fahrt zu gehen, so viel Gepäck, wie das war. Und kurze Zeit später sind dann auch die Herrschaften gestiefelt und gespornt aus der Tür gekommen, Frau Uffsteiner mit dem Hund an der Leine, ihre Tochter Gertrud und der Herr Neuhof, und sind in die Kutsche gestiegen. Der Hausknecht und die Köchin haben auf dem Kutschbock Platz genommen, und ab ging’s in Richtung Mainzer Gasse. Das muss jetzt gute zwei Stunden her sein.«
Der Richter war derart entgeistert, dass ihm zunächst die Worte fehlten. »Haben sie Euch vielleicht gesagt, wo sie hinfahren?«, brachte er schließlich heraus.
Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht miteinander gesprochen. Das ging ja auch alles sehr schnell. Ein bisschen gewundert hat es mich schon, wo heute Morgen erst die Beerdigung war. Ich war ja dabei und habe anschließend noch an dem Leichenschmaus teilgenommen, den die Familie im Hause Limpurg abgehalten hat. Dort habe ich auch mit den Uffsteiners gesprochen. Was man halt so sagt bei solch einem traurigen Anlass – und da hat Frau Uffsteiner mir gegenüber nur erwähnt, dass sie vorhaben, am Sonntag auf ihren Landsitz im Taunus zu fahren, und wahrscheinlich erst nach Ostern zurückkommen. Aber es war überhaupt nicht die Rede davon, dass sie heute schon aufbrechen. Deswegen kam mir das Ganze auch etwas überstürzt vor …«
»In der Tat«, konstatierte der Untersuchungsrichter finster und warf der Frau im Fenster einen unheilvollen Blick zu. »Wo befindet sich dieser Landsitz?«
»Soweit ich weiß, am Hattsteiner Weiher. Das ist in der Nähe des kleinen Örtchens Usingen«, erwiderte die Nachbarin.
Fauerbach neigte den Kopf vor ihr. »Vielen Dank, meine Dame«, sagte er höflich. »Ihr habt mir sehr geholfen.« Er musterte sie forschend. »Ihr seid nicht zufällig Frau Doktor Schütz, die Mutter unseres Stadtarztes?«
»Die bin ich«, erwiderte die alte Dame munter. »Und Ihr seid doch bestimmt der neue Herr Untersuchungsrichter?«
»Ja, das stimmt. Ich werde Eure Aussagen zu Protokoll nehmen.« Er zögerte kurz und senkte betreten den Blick. »Und auch das, was Ihr … einer gewissen Ursel Zimmer gegenüber habt verlautbaren lassen.«
»Jederzeit, Herr Richter!«, bekräftigte die Arztwitwe eifrig. »Die Zimmerin ist eine ganz vortreffliche Person und blitzgescheit. Ihr solltet Euch ruhig ein wenig von ihr helfen lassen, bei Euren Ermittlungen. Sie hat für so was ein Händchen, glaubt mir das.«
»So weit kommt es noch!«, schnaubte der Richter und wandte sich abrupt zum Gehen.
»… Daher möchte ich Euch, verehrter Herr Bürgermeister, als meinen Vorgesetzten und obersten Schöffen des Frankfurter Strafgerichts nun darüber in Kenntnis setzen, dass noch heute ein Schergentrupp unter meiner Führung in den Taunus aufbrechen wird, um die Flüchtigen zu inhaftieren«, beendete Untersuchungsrichter Fauerbach seine Ausführungen. Gespannt blickte er Bürgermeister Reichmann und seinen Stellvertreter Johann Fichard an.
Die beiden hatten bereits während Fauerbachs ausführlichem Rapport vielsagende Blicke gewechselt, nun signalisierten sie einander noch einmal mit
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