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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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geselliger Bursche. Auf der Messe hat er einen kleinen Stand, wo er den Leuten die Haare schert und Bärte rasiert. Er schröpft auch, schneidet Eiterbeulen auf oder zieht einen faulen Zahn, was ein Barbier halt so macht. Gelegentlich arbeitet er auch schon mal als Leibbarbier an kleineren Fürstenhöfen und Burgen, und deswegen ist er diesmal auch schon einen Tag früher aufgebrochen als sonst. Er wollte zu einem Burgherren in der Wetterau, wo er der Familie für die Feiertage die Haare stutzen sollte. In der Karwoche wollte er aber wieder nach Frankfurt kommen, weil er hier noch ein paar Stammkunden abzufertigen hat.«
    Die Hurenkönigin und Josef hatten ihm gespannt zugehört. »Franz war sehr niedergeschlagen in den letzten Tagen vor seinem Tod«, erklärte Ursel dem Wirt. »Ich habe ihn an dem Abend noch gefragt, was ihn so bedrückt, doch er wollte nicht darüber sprechen. Vielleicht hat er ja diesem Barbier sein Herz ausgeschüttet …«
    »Warum sollte er sich ausgerechnet einem Mann anvertrauen, den er überhaupt nicht kannte?«, wandte Josef ein und runzelte skeptisch die Stirn.
    »Manchmal fällt es einem leichter, sich bei einem Fremden auszusprechen, als einen nahestehenden Menschen zu behelligen«, gab die Hurenkönigin zu bedenken. »Ich möchte unbedingt mit diesem Mann reden«, wandte sich Ursel an den Schankwirt und bat nachdrücklich: »Gebt ihm doch bitte Bescheid, dass er sich bei mir melden soll, sobald er wieder in Frankfurt ist.«
    Messer nickte ernst. »Ihr könnt euch darauf verlassen.«
    Während des Gesprächs waren immer mehr Besucher in die Schankstube geströmt, und die städtischen Hübscherinnen verließen nach und nach die Trauerrunde, um sich die letzten Ausläufer des Messegeschäfts nicht länger entgehen zu lassen. Auch die anderen Trauergäste verabschiedeten sich.
    Ursel begleitete gerade Josef und Bernhard zur Tür, als Irene mit einem Freier die Treppe herunterkam. Mit einem knappen Gruß ging sie an der Hurenkönigin und ihren Begleitern vorbei, ohne Bernhard eines Blickes zu würdigen. Das hatte die Hurenkönigin sehr wohl bemerkt, und ihren Argusaugen war auch Bernhards versteinerter Gesichtsausdruck bei Irenes Anblick nicht verborgen geblieben. Sie musste unwillkürlich schlucken, während sie dem Geliebten die Hand reichte, und sagte ihm mit brüchiger Stimme Lebewohl. Zu ihrer Verblüffung zog Bernhard sie in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Darf ich dich morgen besuchen kommen?«, raunte er ihr ins Ohr.
    Ursel wurden die Knie weich. »Natürlich«, flüsterte sie kehlig. »Ich freue mich, wenn du kommst!«
    Die brennende Sehnsucht nach seiner Nähe verursachte ihr Gänsehaut, und ihr Körper bebte noch immer, als sie sich gleich darauf mit einer Umarmung von Josef verabschiedete und ihn für den Sonntag zum Mittagessen einlud.

    Es regnete Bindfäden, als Untersuchungsrichter Fauerbach und der Schergentrupp nach einem beschwerlichen Ritt gegen Nachmittag am Hattsteiner Weiher eintrafen. Schon in Frankfurt hatte es den ganzen Morgen über genieselt, im Taunus war der Regen stärker geworden, und ein eisiger Wind hatte den Männern ins Gesicht geblasen.
    Fauerbach war alles andere als ein guter Reiter, und er hatte sich von den Stangenknechten nur höchst ungern überzeugen lassen, dass es in Anbetracht des steilen Anstiegs besser sei, die Pferde zu nehmen, anstatt in der Kutsche zu reisen. Der Missmut über den Ritt stand ihm auf dem gesamten Weg ins Gesicht geschrieben. Je stärker der Regen wurde, desto mehr ächzte und jammerte er, und die hartgesottenen Büttel mokierten sich hinter seinem Rücken über ihn.
    Die grüne Oberfläche des kleinen Sees kräuselte sich im Regen, und der schmucke Landsitz am Ufer wirkte wie ausgestorben. Während Fauerbach mit seiner behandschuhten Faust gegen das Portal polterte, schien sich sein ganzer Unmut Bahn zu brechen. Mit Ingrimm dachte er an die höhnische Empfehlung des Bürgermeisters und seines Intimus Fichard, er solle doch den Herrschaften am Wochenende einen höflichen Besuch abstatten, und ließ seine Fingerknöchel so heftig gegen die Tür krachen, dass er vor Schmerz zusammenzuckte.
    Denen werde ich es zeigen! Wenn sie denken, sie haben sich mit mir einen weiteren Rechtsverdreher eingekauft, haben sie sich geschnitten!
    Als ihnen endlich der grauhaarige Hausknecht öffnete, der beim Anblick des Untersuchungsrichters erschrocken zusammenfuhr, herrschte ihn Fauerbach an, er solle ihn und seine

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