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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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angenehmen Geruch nach Bienenwachs verströmten. Er zog einen Rosenkranz aus Holzperlen aus der Hosentasche, beugte sich über seinen toten Bruder, faltete ihm die Hände über der Brust und legte den Rosenkranz darüber.
    »Der hat unserer Mutter gehört«, murmelte er ergriffen und wischte sich über die Augenwinkel.
    Irmelin hatte eine Pomeranze mitgebracht, die sie dem Toten unters Kinn klemmte, um so den Unterkiefer zu fixieren. Anschließend rückte sie Franz behutsam den Kopf zurecht, damit das Gesicht zum Himmel gerichtet war, und nahm vor dem aufgebahrten Leichnam Gebetshaltung ein. Ursel und Franz taten es ihr gleich.
    »Lasst uns für ihn beten«, sagte die Hurenkönigin mit brüchiger Stimme und stimmte das Vaterunser an.
    Nachdem sie noch das Ave-Maria gebetet hatten, rückten sich die Trauernden Holzhocker an die Bahre und hielten Totenwache.
    Für lange Zeit herrschte eine bedrückende Stille in der weiß gekalkten Totenkapelle, die nur durch das gelegentliche Seufzen und Aufschluchzen der Trauernden unterbrochen wurde, die sich ganz und gar dem Gedenken an den Verstorbenen hingaben.
    Hinter den bleiverglasten Fensterscheiben der kleinen Kapelle dämmerte es bereits, als sich Josef plötzlich räusperte. »Seit wann war Franz eigentlich so bedrückt?«, fragte er leise.
    Die Hurenkönigin und ihre Stellvertreterin waren unwillkürlich zusammengezuckt.
    »Seit ein paar Tagen vielleicht«, erwiderte Ursel nachdenklich. »So genau kann ich es nicht sagen.«
    »Ich schon!«, platzte es aus Irmelin heraus.
    Josef und die Hurenkönigin blickten sie erstaunt an.
    »Seit diese verdammten Ulmerinnen zu uns gekommen sind, war der Bub doch wie umgewandelt!«, schnaubte die alte Hure ärgerlich.
    Ursel antwortete entrüstet: »Aber du kannst doch jetzt nicht alles auf Alma und Irene schieben!«
    »Der Franz war doch ganz verliebt in die junge Ulmerin, das hat doch jeder Blinde gesehen!«, wetterte Irmelin und warf der Gildemeisterin einen erbosten Blick zu. »Nur du nicht, weil du nur noch Augen für ihre Mutter hattest.«
    »So was muss ich mir von dir nicht sagen lassen!«, entgegnete Ursel wütend.
    »Es stimmt aber!«, trumpfte Irmelin auf. »Wahrscheinlich hat ihm dieses gemeine kleine Biest eine solche Abfuhr erteilt, dass er seines Lebens nicht mehr froh geworden ist …«
    »Und darum ist er in den Main gesprungen?«, fiel ihr die Hurenkönigin ins Wort und schüttelte entrüstet den Kopf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Franz aus Liebeskummer umgebracht hat«, mischte sich plötzlich Josef ein, und trotz seiner Trauer musste er unwillkürlich grinsen. »Ausgerechnet der Franz! Der hat doch nie was anbrennen lassen und die Weiber flachgelegt, wie es ihm gerade in den Kram passte. Gut, es hat auch mal die eine oder andere gegeben, die ihm was bedeutet hat und der er nachtrauerte, wenn sie ihm den Laufpass gab. Aber es hat nicht lange gedauert, und er hat sich schon wieder mit der Nächsten getröstet.« Feixend fügte er hinzu: »Wir Otts sind halt keine Kostverächter!«
    Doch im nächsten Moment überfiel ihn wieder die Schwermut. »Nein, das muss etwas viel, viel Schlimmeres gewesen sein, wenn der so niedergeschlagen war«, bemerkte er trübsinnig. »Und das auch noch tagelang, wie Ihr gesagt habt. Wo der Franz doch von Haus aus ein so sonniges Gemüt hatte. Dass der mal schlechte Laune hatte, kam ganz selten vor. Das muss schon ein schweres Geschoss gewesen sein, was den armen Kerl so umgehauen hat.« Er schluchzte unversehens auf und barg sein Gesicht in den Händen. »Vielleicht war er ja auch todkrank, und wir haben’s nicht gewusst …«, stammelte er.
    »Mit einem gebrochenen Herzen ist man auch todkrank«, murmelte die alte Irmelin düster und streichelte dem Toten mitfühlend über die eingesunkene Wange.

    Es war bereits später Nachmittag, als Untersuchungsrichter Fauerbach in die Neue Kräme einbog, um die Angehörigen von Claus Uffsteiner zu befragen. Von den Messeständen stieg ihm der Geruch von Selchfleisch und Gebratenem in die Nase. Ihm knurrte der Magen, und mit leichtem Unmut dachte er an den opulenten Leichenschmaus in der Trinkstube zum Alten Limpurg, den er sich hatte entgehen lassen. Er bedauerte es fast, dass er ihn seinem Pflichtgefühl geopfert hatte. Kurz zog er in Erwägung, im »Goldenen Schwan« einzukehren, um sich dort mit einer kräftigen Wildterrine zu stärken, doch er widerstand dieser Anwandlung

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