Die Hurenkönigin und der Venusorden
Hurenkönigin und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
»Alles bestens, macht Euch um uns bloß keine Sorgen«, erwiderte Ursels Stellvertreterin. »Die meisten Mädels sind heim zu ihren Leuten gefahren, um dort die Ostertage zu verbringen. Nur die rote Mäu, die Jennischen Marie und ich sind noch hier und halten die Stellung.«
Als Irmelin die Decke über Ursel breitete, war diese bereits eingeschlafen.
Leise trat die alte Irmelin mit einem dicken Butterbrot und einem Becher Milch in Ursels Zimmer und stellte den Imbiss auf dem Nachttisch ab. Dann weckte sie die schlafende Hurenkönigin behutsam.
Ursel blinzelte sie mit verquollenen Lidern an und fragte: »Wie spät ist es denn?«
Irmelin räusperte sich betreten. »Es hat vorhin zur vierten Stunde geschlagen. Ich wollte halt, dass Ihr Euch mal ordentlich ausschlaft, so erschöpft, wie Ihr wart …«
Die Hurenkönigin richtete sich erschrocken auf und schnaubte verärgert: »Ich hatte doch extra gesagt, dass ich nach drei Stunden geweckt werden will! Jetzt hab ich doppelt so lange geschlafen. Du bist unmöglich, Irmelin …«
»Beruhigt Euch doch, Meistersen«, sagte Irmelin beschwichtigend. »Bernhard ist im Spital gut versorgt. Ihr solltet jetzt auch ein bisschen an Euch selbst denken.« Sie deutete auf das Tablett. »Esst erst mal was, und dann könnt Ihr Euch ja wieder zu ihm auf den Weg machen.«
Ursel nickte widerstrebend, trank von der Milch, biss hastig ins Brot und stieg aus dem Bett, was Irmelin mit unmutigen Blicken verfolgte.
»Erzählt mal, wie geht es Bernhard denn?«, erkundigte sie sich.
Die Augen der Hurenkönigin leuchteten auf, als sie ihrer Stellvertreterin berichtete, dass das Fieber gesunken und Bernhard auf dem Wege der Besserung sei.
»Dem Himmel sei Dank!«, seufzte Irmelin und erzählte, dass sie mit der Jennischen Marie gestern in der Leonhardskirche für Bernhard eine Kerze entzündet hätte.
Ursel fiel ihr um den Hals. »Dank dir, altes Mädchen«, murmelte sie gerührt. »Du siehst, es hat geholfen.«
Während die Hurenkönigin sich ankleidete und sich mit fahrigen Händen die Haare richtete, teilte Irmelin ihr mit, dass am Morgen ein fahrender Barbier nach Ursel gefragt habe.
»Warum hast du mich denn nicht geweckt?«, sagte die Gildemeisterin vorwurfsvoll.
»Weil Ihr Euch gerade erst hingelegt hattet«, erwiderte Irmelin und verdrehte die Augen. »Ich habe es nicht übers Herz gebracht, Euch gleich wieder aus dem Schlaf zu reißen! Er hat gesagt, er sei der Rheinländer Winnie und dass er noch bis Gründonnerstag in Frankfurt ist. Er logiert in der Leonhardschenke. Da ist er aber immer erst gegen Abend. Tagsüber hat er einen Stand auf dem Römerberg, wo er den Leuten die Bärte rasiert und die Haare schneidet.«
»Da gehe ich jetzt gleich mal hin«, erklärte Ursel ungehalten. »Das ist wichtig, denn er war der Letzte, der Franz lebend gesehen hat. Ich wollte sowieso auf den Markt, um ein Huhn zu kaufen, damit ich Bernhard eine Suppe kochen kann.« Damit wandte sie sich eilig zum Gehen.
Nachdem Ursel auf dem Markt sowohl ein Suppenhuhn als auch einen Bund Wurzelgemüse erstanden hatte, ging sie auf einen Stand zu, hinter dem ein großer, schlaksiger Mann gerade dabei war, einem Knaben die Haare zu schneiden. Die Mutter stand daneben und erteilte unentwegt Anweisungen, wie viel er noch abschneiden sollte. Der kleine Junge indessen zog ein Schafsgesicht und schien die Prozedur nicht sonderlich zu genießen.
»Seid Ihr der Rheinländer Winnie?«, fragte Ursel, wobei sie die verächtlichen Blicke der Matrone geflissentlich ignorierte.
Der Barbier, der ihr den Rücken zugewandt hatte, fuhr zusammen und drehte sich zu ihr um.
»Der bin ich«, erklärte er und begann beim Anblick der Hurenkönigin gleich zu schäkern. »Ich bin gleich für Euch da, schöne Frau!«
Ursel nickte und stellte sich abwartend an die Seite.
»Lasst Euch nur Zeit und macht ordentlich Eure Arbeit!«, näselte die Bürgersfrau ärgerlich. »Der Junge soll manierlich aussehen. Dafür bezahle ich ja auch. Der Nacken muss noch ausrasiert werden, da möchte ich kein Härchen mehr sehen.«
»Aber natürlich, Gnädigste«, katzbuckelte der Barbier mit unverhohlenem Spott. »Wenn Ihr wünscht, verpass ich ihm sogar eine Mönchstonsur …«
Die Angesprochene verzog säuerlich den Mund. »Lasst diesen Unfug«, blaffte sie. »Kappenartig habe ich gesagt, so wie es der vornehmen Herrenhaarmode aus Burgund entspricht.« Die Matrone streifte den
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