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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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den Affront des Geistlichen derart erzürnt, dass sie ihm ins Gesicht spie und ihn anherrschte: »Was unterstehst du dich, elender Pfaffe!«
    Worauf der Kleriker Alma an den Haaren packte und ihren Kopf so dicht über den brodelnden Kessel drückte, dass ihr der heiße Wasserdampf das Gesicht verbrühte. Sie stieß einen gellenden Schrei aus.
    »Noch einen Muckser, du Erz-Hexe, und ich steck dich kopfüber in den Kessel!«, keifte der Pfarrer und schien entschlossen, seine Drohung sofort in die Tat umzusetzen.
    »Es wär zwar nicht schade um sie, aber Euer Gottesurteil könnt Ihr dann vergessen!« Der zynische Einwand des Bürgermeisters rief Roddach zur Räson, und er ließ widerwillig Almas Kopf los.
    Die Gesichtshaut der Ulmerin war feuerrot. Ihr Atem ging stoßweise, und sie wimmerte vor Schmerzen.
    Roddach, der sich inzwischen wieder im Griff hatte, fand an der Rolle des Inquisitors mehr Gefallen als an der des Peinigers. Er baute sich in seinem ganzen Ornat vor Alma auf, die zusammengekrümmt am Boden kauerte, und richtete das Wort an sie: »Ehe wir an unseren höchsten Richter im Himmel mit der Bitte herantreten, Recht über die Sünderin zu sprechen, wollen wir Ihr noch ein letztes Mal Gelegenheit geben, Ihre Schuld einzugestehen. Daher frage ich Sie nun: Bekennt Sie sich schuldig, einen jungen Mann aus Ulm in einem satanischen Blutritual bestialisch ermordet zu haben?«
    »Ich bedauere den Tod unseres jungen Freundes zutiefst – das habe ich Euch ja alles schon gesagt«, stieß Alma keuchend hervor. »Und ich wiederhole es noch einmal: Das Kastrationsritual ist ein heiliger Akt zu Ehren der großen Göttin, dem sich der junge Mann aus freien Stücken unterzogen hat. Wer konnte ahnen, dass er daran verbluten würde, weil sein Blut zu dünn war?«
    »Allein schon für diese frevelhafte Tat erwartet Sie das Todesurteil!«, herrschte Roddach sie an. Er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick, ehe er fortfuhr: »Dennoch fordere ich Sie hiermit zum letzten Mal auf, auch Ihre anderen Gräueltaten zu gestehen!«
    Alma war viel zu entkräftet, um die Stimme zu heben. »Da gibt es nichts zu gestehen, weil ich unschuldig bin. Ich schwöre bei der Großen Mutter, dass ich die Morde nicht begangen habe …«, erklärte sie mühsam.
    Die Augen des Priesters funkelten zornig. »Es gibt nur den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist und die Jungfrau Maria!«, schrie er erbost. »Dem Götzendienst zu frönen ist schlimmste Todsünde!«
    Alma hatte sich mit letzter Kraft erhoben. » Ihr betreibt Götzendienst«, zischte sie verächtlich. »Die Große Mutter war von Anbeginn der Zeiten da und wurde schon immer von den Menschen verehrt – bis ihr sie uns geraubt und zur blutarmen Jungfrau stilisiert habt!«
    Die Gesichtszüge des Pfarrers bebten vor Zorn. Auch die beiden anderen Geistlichen sowie der Bürgermeister und mehrere Senatoren waren empört von ihren Stühlen aufgesprungen und gaben laute Unmutsäußerungen von sich.
    »Dann stelle Sie sich jetzt dem Gottesurteil!«, rief Roddach herrisch und gab dem Henker einen Wink, die Delinquentin an den Kessel zu führen und ihre Handfesseln zu lösen. »Fasse Sie hinein und hole Ihr Teufelsamulett heraus!«, befahl der Priester, der an Almas Seite getreten war, barsch.
    Alma blickte auf das brodelnde Wasser des Kessels, auf dessen Grund ihr Talisman lag. Der heiße Wasserdampf benetzte ihre schmerzenden Wangen, und alles in ihr sträubte sich, den Arm in die kochende Flüssigkeit zu tauchen.
    »Mach’s doch selbst, Pfaffe!«, fuhr sie ihn an und presste trotzig die Arme an den Körper.
    Schäumend vor Wut packte Roddach ihre Hand und zog sie über den Kessel. »Du machst jetzt auf der Stelle, was ich dir befohlen habe, du verfluchte Hure!«, schrie er mit sich überschlagender Stimme.
    »Nur zusammen mit dir«, flüsterte Alma, fasste blitzschnell seine Hand und tauchte sie mitsamt der ihren in das kochende Wasser.
    Der Pfarrer schrie wie am Spieß, befreite sich aus ihrem Griff und veranstaltete vor Schmerz den reinsten Veitstanz. Alles war so schnell gegangen, dass der Henker gar nicht einschreiten konnte. Während der allgemeinen Aufregung, die unter den Herren des Staftribunals herrschte, nahm Meister Jerg die Delinquentin in den Schwitzkasten und tauchte mit routiniertem Griff ihren Arm in den Kessel. Keiner der Anwesenden achtete mehr auf Almas markerschütternde Schmerzensschreie, alle kümmerten sich um den Pfarrer und seine verbrühte Hand und waren bemüht, ihm

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