Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Patronengurt über ihre Schulter und die linke Brust. Die Patronen schienen echt zu sein.
»Ja«, sagte ich und warf ihr das Manuskript auf den Schreibtisch.
»Martin, Martin, Martin«, seufzte sie, »wann werden Sie Ihre Bücher endlich transmittern, statt sich immer die Mühe machen, sie auszudrucken und persönlich hierher zu bringen?«
»Es ist seltsam befriedigend, sie persönlich abzugeben«, sagte ich. »Besonders bei dem hier.«
»Ach?«
»Ja«, sagte ich. »Warum sehen Sie nicht mal rein?«
Tyrena lächelte und strich klickend mit den Fingernägeln über die Patronen im Gurt. »Ich bin sicher, es entspricht Ihren bekannt hohen Maßstäben, Martin«, sagte sie. »Ich muß es nicht lesen.«
»Bitte«, sagte ich.
»Wirklich«, sagte Tyrena, »dazu besteht kein Grund. Es macht mich immer nervös, ein neues Werk zu lesen, wenn der Autor anwesend ist.«
»Das hier nicht«, sagte ich. »Lesen Sie nur die ersten paar Seiten.«
Sie muß meiner Stimme etwas angehört haben, denn sie runzelte die Stirn und schlug den Karton auf. Das Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie die erste Seite gelesen hatte und den Rest des Manuskripts durchblätterte.
Auf Seite eins stand ein einziger Satz: »Dann, eines schönen Morgens im Oktober, verschluckte die sterbende Erde ihre eigenen Eingeweide, zuckte ihre allerletzte Zuckung und starb.« Die restlichen zweihundertneunundneunzig Seiten waren leer. »Ein Witz, Martin?«
»Nein.«
»Dann ein Wink mit dem Zaunpfahl? Würden Sie gern eine neue Serie anfangen?«
»Nein.«
»Nicht, daß wir nicht damit gerechnet hätten, Martin. Unsere Storyleute haben sich mehrere aufregende Serien für Sie ausgedacht. M. Subwaizee glaubt, Sie sind perfekt dazu geeignet, Romane zu den Holies um den Scharlachroten Rächer zu schreiben.«
»Sie können sich den Scharlachroten Rächer in Ihren Firmenarsch schieben, Tyrena«, sagte ich freundlich. »Ich bin fertig mit Transline und diesem vorverdauten Brei, den Sie Literatur nennen.«
Tyrenas Miene zuckte nicht. Ihre Zähne waren nicht spitz; heute waren sie rostiges Eisen, passend zu den Dornen an Halsband und Armreifen. »Martin, Martin, Martin«, seufzte sie, »Sie haben keine Ahnung, wie fertig Sie sein werden, wenn Sie sich nicht entschuldigen, zusammenreißen und mitspielen. Aber das hat Zeit bis morgen. Warum gehen Sie nicht nach Hause, nüchtern sich aus und denken darüber nach?«
Ich lachte. »Ich bin so nüchtern, wie ich es seit acht Jahren nicht mehr gewesen bin, Lady. Ich habe nur eine Weile gebraucht, bis ich dahintergekommen bin, daß ich nicht der einzige bin, der Dreck schreibt ... dieses Jahr ist nicht ein einziges Buch im Netz veröffentlicht worden, das nicht absoluter Mist gewesen wäre. Und ich steige aus.«
Tyrena stand auf. Zum ersten Mal fiel mir auf, daß ein Todesstrahler von FORCE an ihrem imitierten Segeltuchgürtel hing. Ich hoffte, daß er wie der Rest ihres Kostüms eine Designernachbildung war.
»Hören Sie, Sie kläglicher, unbegabter Schmierfink«, zischte sie. »Sie gehören Transline bis zu den Eiern. Wenn Sie uns weiter Ärger machen, lassen wir Sie unter dem Pseudonym Rosemary Titmouse in der Liebesromanfabrik arbeiten. Und jetzt gehen Sie nach Hause, schlafen Sie sich aus und fangen Sie mit der Arbeit an Die sterbende Erde X an!«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
Tyrena kniff die Augen zusammen. »Sie sind uns immer noch fast eine Million Mark in Vorschüssen schuldig«, sagte sie. »Ein Wort an die Finanzabteilung, und wir beschlagnahmen jedes Zimmer Ihres Hauses, abgesehen von dem verdammten Floß, das Ihnen als Abort dient. Da können Sie dann sitzen, bis das ganze Meer voller Kacke ist.«
Ich lachte zum letzten Mal. »Es handelt sich um eine geschlossene Abfallanlage«, sagte ich. »Außerdem habe ich das Haus gestern verkauft. Der Scheck für den Ausgleich meines Kontos müßte inzwischen eingetroffen sein.«
Tyrena klopfte an den Plastikgriff ihres Todesstrahlers. »Wissen Sie, Transline hat das Copyright auf die Sterbende Erde-Serie. Wir lassen die Bücher einfach von jemand anderem schreiben.«
Ich nickte. »Von mir aus gern.«
Die Stimme meiner ehemaligen Lektorin änderte sich, als ihr klar wurde, daß es mein Ernst war. Irgendwie spürte ich, daß es von Vorteil für sie war, wenn ich blieb. »Hören Sie«, sagte sie, »ich bin sicher, wir können uns einigen, Martin. Ich habe erst gestern zum Präsidenten gesagt, daß unsere Vorschüsse zu gering sind und Transline Sie ein
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