Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
neues Konzept ausarbeiten lassen sollte ...«
»Tyrena, Tyrena, Tyrena«, seufzte ich. »Leben Sie wohl.«
Ich farcastete nach Renaissance Vector und dann nach Parsimony, wo ich für die dreiwöchige Reise nach Asquith zum überfüllten Königreich des Traurigen Königs Billy an Bord eines Spin-Schiffs ging.
Notizen für eine Skizze des Traurigen Königs Billy:
Seine Königliche Hoheit William XXIII, Herrscher über das Königreich Windsor-im-Exil, sieht ein bißchen wie die Wachskerze eines Mannes aus, die auf einem heißen Herd stehengelassen wurde. Sein langes Haar fällt strähnig auf hängende Schultern, Furchen der Stirn erstrecken sich nach unten und gehen in Krähenfüße um die bassetgleichen Augen herum über und verlaufen dann weiter nach Süden durch Falten und Zorneslinien bis zum Labyrinth von Fettwülsten an Hals und Kiefern. Man sagt, das Äußere von König Billy erinnere Anthropologen an die Sorgenpuppen von Outback Kinshasa; erinnere Zen-Gnostiker an den Traurigen Buddha nach dem Tempelbrand auf Tai Zhin; und Medienhistoriker eilen in ihre Archive und betrachten Fotos eines alten Flachfilmschauspielers namens Charles Laughton. Diese Vergleiche sagen mir alle nichts; ich betrachte König Billy und denke an meinen längst verstorbenen Lehrmeister Don Balthasar nach einem wochenlangen Zechgelage.
Der Ruf des Traurigen Königs Billy ein Sauertopf zu sein, ist übertrieben; er lacht oft; sein Pech ist nur, daß seine besondere Art zu lachen manchmal den Eindruck in den Leuten erweckt, als würde er schluchzen.
Ein Mann kann nichts für seine Physiognomie, aber im Fall Seiner Hoheit scheint die ganze Persönlichkeit entweder ›Hanswurst‹ oder ›Opfer‹ zu sagen. Er kleidet sich, wenn man es überhaupt so ausdrücken kann, in etwas, das einem konstanten Zustand der Anarchie gleichkommt und Geschmack und Sinn für Farbzusammenstellung seiner Androiden so verletzt, daß er an manchen Tagen mit sich selbst und seiner Umwelt gleichermaßen kollidiert. Und sein Äußeres ist auch nicht auf ein Chaos der Garderobe beschränkt – König William bewegt sich in einer unablässigen Atmosphäre des Unordentlichen, hat den Hosenlatz offen, den Samtmantel zerrissen, zieht wie magnetisch Krümel vom Boden an, sein linker Ärmel ist doppelt so lang gebauscht wie der rechte, der wiederum aussieht, als wäre er in ein Glas Marmelade getunkt worden.
Ihr versteht schon.
Trotz alledem verfügt der Traurige König Billy über einen einsichtigen Verstand und eine Leidenschaft für die Künste und die Literatur, die es seit den Tagen der Renaissance auf der Alten Erde nicht mehr gegeben hat.
In vieler Hinsicht ist König Billy ein dickes Kind, das das Gesicht ewig ans Schaufenster des Süßwarenladens drückt. Er liebt und würdigt schöne Musik, bringt aber selbst keine zustande. Seine Hoheit ist ein Bewunderer des Balletts und von allem Anmutigen, selbst ist er aber ein tumber Klotz, eine wandelnde Ansammlung von Ungeschicklichkeit und komischer Tolpatschigkeit. Als leidenschaftlicher Leser, treffsicherer Kritiker von Dichtung und selbst Autor verbindet König Billy ein Stottern beim Sprechen mit einer Schüchternheit, die es ihm unmöglich macht, seine Verse oder Prosa jemand anderem zu zeigen.
König Billy, der inzwischen sechzig wird und sein Leben lang Junggeselle war, bewohnt den verfallenen Palast und sein zweitausend Quadratmeilen großes Königreich als wären sie nur ein weiterer Anzug zerknitterter königlicher Kleidung. Anekdoten erzählt man sich im Übermaß: Einer der berühmten Maler, die König Billy unterstützt, begegnet Seiner Majestät, der mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Armen durch den Garten geht, mit einem Fuß auf dem Weg und einem im Schlamm, und offenbar in tiefes Nachdenken versunken ist. Der Künstler begrüßt seinen Mäzen. Der Traurige König Billy schaut auf, blinzelt, sieht sich um, als würde er aus einem langen Schlaf erwachen. »Entschuldigung«, sagt Seine Hoheit zu dem staunenden Maler, »a-a-aber könnten S-s-sie mir bi-bi-bitte sagen, bin ich zum Palast oder vom Palast weg gegangen?« – »Zum Palast, Eure Majestät«, antwortet der Künstler. – »Oh, gu-gu-gut«, seufzt der König, »dann ha-ha-hab ich schon zu Mittag gegegessen.«
General Horace Glennon-Height hatte seine Rebellion begonnen, und die Outback-Welt Asquith lag direkt in seinem Pfad der Eroberungen. Auf Asquith machte man sich keine Sorgen – die Hegemonie hatte eine
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