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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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leichten Sog und das Rumpeln unter den Sohlen und starrten in die vorübergleitende Dunkelheit. Das Grasmeer war nur als Stelle zu erkennen, wo die Sterne aufhörten und undurchdringliche Schwärze begann. Kassad leuchtete mit einer Taschenlampe Teile der Segel und Takelage an, deren Taue von unsichtbaren Händen straff gezogen wurden, dann durchsuchte er sämtliche schattigen Stellen vom Bug bis zum Heck. Die anderen sahen ihm schweigend zu. Als er die Lampe abschaltete, wirkte die Dunkelheit nicht mehr so erdrückend, die Sterne heller. Ein voller, fruchtbarer Geruch – mehr wie von einer Farm im Frühling als von einem Meer – wurde ihnen von dem Wind zugetragen, der über mehr als tausend Kilometer Gras geweht hatte.
    Einige Zeit später rief der Konsul nach ihnen, und sie gingen hinunter, um zu essen.
     
    Die Kombüse war eng und es gab keine Tafel in der Messe, daher benützten sie die große Kabine im Heck als Gemeinschaftsraum und schoben drei große Truhen als behelfsmäßigen Tisch zusammen. Vier Laternen, die an niederen Balken hingen, machten den Raum hell. Wind wehte herein, als Het Masteen eines der großen Fenster über dem Bett aufmachte.
    Der Konsul stellte Platten, auf denen sich belegte Brote türmten, auf die größte Kiste, dann kam er mit dicken weißen Tassen und einer Thermoskanne voll Kaffee zurück. Er schenkte ein, während die anderen aßen.
    »Schmeckt gut«, sagte Fedmahn Kassad. »Woher haben Sie das Roastbeef?«
    »Die Kühlkammer ist gut bestückt. Und in der Heckkombüse ist noch eine große Gefriertruhe.«
    »Elektrisch?« fragte Het Masteen.
    »Nein. Doppelt isoliert.«
    Martin Silenus schnupperte an einem Glas, nahm das Messer von einer Platte mit Broten und strich große Kleckse Meerrettich auf sein Brot. In seinen Augen standen Tränen, während er aß.
    »Wie lange dauert diese Überfahrt normalerweise?« fragte Lamia den Konsul.
    Dieser hatte in den schwarzen Kaffee in seiner Tasse gesehen und schaute nun auf. »Tut mir leid. Was?«
    »Die Überquerung des Grasmeers. Wie lange?«
    »Eine Nacht und einen halben Tag bis zu den Bergen«, sagte der Konsul. »Wenn der Wind günstig ist.«
    »Und dann ... wie lange über die Berge?« fragte Pater Hoyt.
    »Weniger als einen Tag«, sagte der Konsul.
    »Wenn die Seilbahn funktioniert«, fügte Kassad hinzu.
    Der Konsul trank den heißen Kaffee und verzog das Gesicht. »Davon müssen wir ausgehen. Wenn nicht ...«
    »Wenn nicht, was?« wollte Lamia wissen.
    »Wenn nicht«, sagte Oberst Kassad, der vom offenen Fenster kam und die Fäuste an die Hüften stemmte, »sind wir sechshundert Klicks von den Zeitgräbern und tausend von den Städten im Süden entfernt gestrandet.«
    Der Konsul schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Die Priester des Tempels, oder wer immer hinter dieser Pilgerfahrt stehen mag, haben dafür gesorgt, daß wir bis hierher gekommen sind. Sie werden gewährleisten, daß wir auch weiter kommen.«
    Brawne Lamia verschränkte stirnrunzelnd die Arme. »Als was ... Opfer?«
    Martin Silenus lachte brüllend und hob die Flasche:
     
    »Who are these coming to the sacrifice?
    To what green altar, O mysterious priest,
    Lead'st thou that heifer lowing at the skies,
    And all her silken flanks with garlands dressed?
    What little town by river or sea-shore,
    Or mountain-built with peaceful citadel,
    Is emptied of its folk, this pious morn?
    And, little town, thy streets for evermore
    Will silent be; and not a soul, to tell
    Why thou art desolate, can e'er return.«
     
    »Und die zum Opfer ziehen, wer sind die?
    Mysterien-Priester, diese Färse hier
    Zu welchem grünen Altar führst du sie
    Die brüllt, an seidnen Flanken blühnde Zier?
    Welch kleine Stadt am Flusse oder Meer,
    Vielleicht ein Bergnest, dem die Burg hier frommt,
    Ist in geweihter Frühe so verwaist?
    Und, kleine Stadt, sie bleiben ewig leer
    Hier deine Straßen, auch nicht Einer kommt
    Zurück und sagt, was du verlassen seist.«
     
    Aus: John Keats: GEDICHTE, übersetzt von Alexander von Bernus,
    Karlsruhe/Leipzig 1911, Dreililienverlag, S. 74
     
    Brawne Lamia griff unter das Gewand und holte einen Schneidlaser heraus, der nicht größer als ihr kleiner Finger war. Sie richtete ihn auf den Kopf des Dichters. »Sie widerlicher kleiner Scheißer. Noch ein Wort von Ihnen, und ... Ich schwöre ... ich erschieße Sie, wo Sie stehen.«
    Plötzlich herrschte Totenstille, abgesehen vom Ächzen und Knirschen des Schiffs im Hintergrund. Der Konsul ging auf Martin

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