Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Bussard entfernt, und das dazwischenliegende terraformte Land wurde ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Man hatte keine Wälder roden, sich um keine Hügel kümmern müssen, und es gab keine Berge, die die flache Monotonie von Maisfeldern, Bohnenfeldern, Maisfeldern, Weizenfeldern, Maisfeldern, Reisterrassen und Maisfeldern unterbrach. Der radikale Dichter Salmud Brevy hatte vor dem Glennon-Height-Aufstand kurz am Nightenhelser unterrichtet, war gefeuert worden, nach Renaissance Vector gefarcastet und hatte seinen Freunden erzählt, daß Crawford County auf Süd-Sinzer auf Barnards Welt den Achten Kreis der Einsamkeit bildete und ein winziger Pickel am letzten Arsch der Schöpfung war.
Sol und Sarai Weintraub gefiel es. Crawford, eine Stadt mit fünfundzwanzigtausend Seelen, hätte einer mittelamerikanischen Siedlung des neunzehnten Jahrhunderts nachgebaut sein können. Die Straßen waren breit und lagen unter Baldachinen von Eichen und Ulmen. (Barnards Welt war die zweite extrasolare Erdkolonie gewesen, Jahrhunderte vor Hawking-Antrieb und Hegira, und die Saatschiffe damals waren riesig gewesen.) Die Häuser in Crawford präsentierten Stile, die von frühviktorianisch bis kanadisch-neugotisch reichten, aber sie schienen alle weiß zu sein und hinter gepflegten Rasenflächen zu liegen.
Das College selbst war georgianisch, eine Ansammlung von roten Backsteinen und weißen Säulen um einen ovalen Platz. Sols Büro befand sich im dritten Stock der Placher Hall, dem ältesten Gebäude auf dem Campus, und im Winter konnte er kahle Zweige sehen, die den Platz in komplexe geometrische Figuren aufteilten. Sol gefiel der Geruch nach Kreidestaub und altem Holz, ein Geruch, der sich nicht verändert hatte, seit er dort Anfänger gewesen war, und jeden Tag, wenn er in sein Büro ging, bewunderte er die tief ausgetretenen Stufen – das Erbe von zwanzig Generationen Studenten von Nightenhelser.
Sarai war auf einer Farm auf halbem Wege zwischen Bussard und Crawford zur Welt gekommen und hatte ihren Magister in Musiktheorie ein Jahr bevor Sol seinen Doktor bekam, gemacht. Sie war eine glückliche und quirlige junge Frau gewesen und hatte an Persönlichkeit wettgemacht, was ihr an Normen körperlicher Schönheit fehlte, und sie rettete diese attraktive Persönlichkeit auch ins spätere Leben. Sarai hatte zwei Jahre außerhalb an der Universität von Neu Lyon und Deneb Drei studiert, aber dort hatte sie Heimweh: Die Sonnenuntergänge waren zu abrupt, die zerklüfteten Berge schnitten das Sonnenlicht wie eine gezackte Sichel ab, und sie sehnte sich nach den stundenlangen Sonnenuntergängen von zu Hause, wo Barnards Stern wie ein großer, angebundener roter Ballon am Horizont hing, während der Himmel zum Abend gerann. Ihr fehlte die völlige Flachheit, wo ein Mädchen – das zum Fenster ihres Zimmers unter dem steilen Giebel im dritten Stock hinaus sah – fünfzig Kilometer über angebaute Felder sehen und erkennen konnte, wie sich ein Gewitter wie ein purpurner, durch Blitze von innen beleuchteter Vorhang näherte. Und Sarai vermißte ihre Familie.
Sie traf Sol eine Woche nach ihrer Versetzung an die Nightenhelser; es vergingen weitere drei Jahre, bis er ihr einen Antrag machte, den sie annahm. Anfangs fand sie nichts an dem kleinwüchsigen Studenten. Zu dem Zeitpunkt trug sie noch die Mode des Netzes, studierte post-destruktionistische Musiktheorien, las Obit und Nihil und die avantgardistischsten Magazine von Renaissance Vector und TC 2 , heuchelte gebildete Lebensverdrossenheit und pflegte ein rebellisches Vokabular – und das alles paßte überhaupt nicht zu dem kleinen, aber ernsten Studenten der Geschichte, der ihr bei der Party zu Ehren von Dekan Moore Obstsalat aufs Kleid schüttete. Exotische Eigenheiten, die Sol Weintraubs jüdische Herkunft mit sich bringen konnten, wurden augenblicklich von seinem BW-Akzent, seiner Kleidung aus dem Crawford-Herrenmodegeschäft und der Tatsache negiert, daß er zu der Party gekommen war und zerstreut eine Ausgabe von Detresques Variationen der Einsamkeit unter den Arm geklemmt hatte.
Für Sol war es Liebe auf den ersten Blick. Er sah das lachende Mädchen mit den roten Wangen, schenkte dem teuren Kleid und den affektierten mandarinfarbenen Nägeln keine Beachtung, sondern achtete nur auf die Persönlichkeit, die für den einsamen Studenten wie ein Fanal leuchtete. Sol hatte nicht gewußt, daß er einsam war, bis er Sarai kennengelernt hatte, aber von dem Augenblick an, als
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