Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
leuchteten buchstäblich eine Million Sonnen über, neben und unter der Gruppe am Tisch. Hyperion war inzwischen eine deutlich zu erkennende Kugel, die wie ein tödliches Geschoß auf sie zugerast kam.
    »Lesen Sie«, sagte Martin Silenus.
    Aus dem Tagebuch von Pater Paul Duré
     
    Tag 1:
    So beginnt mein Exil.
    Ich bin irgendwie ratlos, wie ich mein neues Tagebuch datieren soll. Nach dem klösterlichen Kalender auf Pacem schreiben wir den siebzehnten Tag des Thomasmonats im Jahre des Herrn 2732. Laut Hegemoniestandard schreiben wir den 12. Oktober 589 n. C. Laut der Zählung von Hyperion, so hat mir der verhutzelte Portier des alten Hotels, wo ich wohne, erzählt, haben wir den dreiundzwanzigsten Tag von Lycius (dem letzten ihrer sieben Monate zu je dreiundvierzig Tagen), entweder 426 n. L. N. (nach Landungsboot-Notlandung!) oder des hundertachtundzwanzigsten Jahres der Regentschaft des Traurigen Königs Billy, der mindestens hundert dieser Jahre überhaupt nicht regiert hat.
    Zum Teufel damit! Ich nenne den Tag einfach Tag 1 meines Exils.
    Anstrengender Tag. (Seltsam, daß man nach monatelangem Schlaf müde sein kann, aber man sagt, das wäre eine allgemeine Reaktion nach dem Erwachen aus der Fuge. Meine Zellen spüren die Müdigkeit dieser vergangenen Monate der Reise, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich nach Reisen so müde gefühlt habe, als ich noch jünger war.)
    Es tut mir leid, daß ich den jungen Hoyt nicht besser kennenlernen konnte. Er scheint ein anständiger Mensch zu sein, Katechismus auswendig parat und strahlende Augen. Es ist nicht die Schuld von jungen Männern wie ihm, daß die letzten Tage der Kirche angebrochen sind. Es ist nur so, daß seine Art glücklicher Naiver nichts tun können, um zu verhindern, daß die Kirche dem Vergessen anheimfällt, welches ihr vorherbestimmt zu sein scheint.
    Nun, mein Beitrag hat auch nichts bewirkt.
    Brillanter Ausblick auf meine neue Welt, als uns das Landungsboot abgesetzt hat. Ich konnte zwei der drei Kontinente erkennen – Equus und Aquila. Der dritte, Ursa, war nicht zu sehen.
    Landung in Keats und stundenlange Anstrengungen, um die Zollformalitäten hinter mich zu bringen und Bodentransit in die Stadt zu bekommen. Wirre Eindrücke: die Bergkette im Norden mit ihrem wabernden blauen Dunst, Vorgebirge mit orangeroten und gelben Bäumen, blasser Himmel mit blau-grüner Grundfärbung, die Sonne kleiner aber leuchtender als die von Pacem. Aus der Ferne wirken die Farben lebhafter, lösen sich aber auf und verblassen, wenn man näherkommt, wie das Werk eines Pointilisten. Die große Skulptur des Traurigen Königs Billy, von der ich soviel gehört habe, war gewissermaßen eine Enttäuschung. Von der Straße aus gesehen, wirkte sie derb und unfertig, mehr ein aus dem dunklen Berggestein gemeißelter hastiger Entwurf als die echte Statue, die ich erwartet hatte. Sie brütet über dieser geflickschusterten Stadt mit ihrer halben Million Einwohner auf eine Weise, die dem neurotischen Dichterkönig wahrscheinlich gefallen haben würde.
    Die Stadt selbst scheint in das ausgedehnte Labyrinth von Elendsvierteln und Saloons, das die Einheimischen Jacktown nennen, und Keats selbst unterteilt zu sein, die sogenannte Altstadt, obwohl sie nur vierhundert Jahre zurückreicht und ganz polierter Stein und gewollte Sterilität ist. Ich werde bald an der Stadtrundfahrt teilnehmen.
    Ich hatte einen Monat Aufenthalt in Keats eingeplant, brenne aber schon auf die Weiterreise. Oh, Monsignore Edouard, wenn Du mich jetzt sehen könntest. Bestraft, aber immer noch ohne Reue. Einsamer denn je, aber seltsam zufrieden mit meinem neuen Exil. Wenn meine Strafe für frühere, von meinem Glaubenseifer ausgelöste Exzesse die Verbannung in den siebten Kreis der Einsamkeit ist, so wurde Hyperion gut gewählt. Ich könnte meine mir selbst auferlegte Reise zu den fernen Bikura (Existieren sie? Heute abend glaube ich es nicht) vergessen und mich damit zufriedengeben, in dieser Provinzhauptstadt der gottverlassenen Hinterwelt meine restlichen Jahre zu verbringen. Mein Exil könnte nicht vollkommener sein.
    Ah, Edouard, gemeinsam Knaben, gemeinsam Studienkollegen (wenn ich selbst auch niemals so brillant wie Du oder so orthodox wie Du gewesen bin), und jetzt gemeinsam alte Männer. Doch du bist nun vier Jahre klüger, ich dagegen immer noch der schalkhafte, trotzige Knabe, dessen du eingedenk bist. Ich bete, daß du noch am Leben und bei bester

Weitere Kostenlose Bücher