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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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existiert hatte. In der kühlen Dunkelheit brannte eine einsame rote geweihte Kerze, deren winzige Flamme in unsichtbaren Böen und Luftströmungen flackerte.
    Ich habe diese Stadt satt. Ich bin ihre heidnischen Prätentionen und ihre falschen Historien leid. Hyperion ist eine Dichterwelt ohne Poesie. Keats selbst ist eine Mischung aus falschem, kitschigem Klassizismus und hirnloser, dröhnender Energie. In der Stadt gibt es drei Zentren der Zen-Gnostiker und vier muslimische Hohe Moscheen, aber die wirklichen Häuser der Anbetung sind die zahllosen Saloons und Bordelle, der riesige Marktplatz, wo die Fiberplastiklieferungen aus dem Süden verarbeitet werden und die Tempel des Shrike-Kults, wo verlorene Seelen ihre selbstmörderische Hoffnungslosigkeit hinter einem Schild von seichtem Mystizismus verbergen. Der ganze Planet stinkt nach Mystizismus ohne Offenbarung.
    Zum Teufel damit!
    Morgen reise ich nach Süden. Es gibt Gleiter und andere Flugzeuge auf dieser absurden Welt, aber für das gemeine Volk scheint der Verkehr zwischen den verfluchten Inselkontinenten auf Schiffe beschränkt zu sein – was ewig dauert, wie man mir gesagt hat –, oder aber auf eines der riesigen Passagierluftschiffe, die nur einmal wöchentlich von Keats starten.
    Ich breche morgen früh mit dem Luftschiff auf.
     
    Tag 10:
    Tiere.
    Die erstgelandete Mannschaft auf diesem Planeten muß eine Fixierung auf Tiere gehabt haben. Pferd, Bär, Adler. Drei Tage lang krochen wir über einem unregelmäßigen Uferabschnitt namens Mähne die Ostküste von Equus entlang. Am letzten Tag überquerten wir einen kurzen Ausläufer des Mittelmeers zu einem großen Eiland mit Namen Katzeninsel. Heute werden Passagiere und Fracht in Felix entladen, der ›Hauptstadt‹ der Insel. Soweit ich von der Aussichtspromenade und dem Ankerturm erkennen kann, können in dieser bunt zusammengewürfelten Ansammlung von Hütten und Baracken nicht mehr als fünftausend Menschen leben.
    Im Anschluß wird das Schiff achthundert Kilometer an einer Kette kleinerer Inseln namens Neun Schwänze entlangkriechen und dann kühn über siebenhundert Kilometer offenes Meer und den Äquator schweben. Das nächste Land, das wir danach sehen werden, ist die Nordwestküste von Aquila, der sogenannte Schnabel.
    Tiere.
    Dieses Beförderungsmittel ›Passagierluftschiff‹ zu nennen, ist eine Übung in kreativer Semantik. Es besteht aus einer riesigen Schwebeeinrichtung mit Frachträumen, die so groß sind, daß sie die gesamte Stadt Felix übers Meer befördern könnten und immer noch Platz für Tausende Ballen Fiberplastik hätten. Die weniger bedeutende Fracht – wir Passagiere – muß derweil zusehen, wo sie bleibt. Ich habe eine Pritsche bei der Ladeschleuse am Heck aufgestellt und mir dort eine behagliche Nische für mich, mein persönliches Gepäck und die drei großen Kisten Expeditionsausrüstung geschaffen. In meiner Nähe haust eine achtköpfige Familie – eingeborene Plantagenarbeiter, die von einem zweimal im Jahr unternommenen Einkaufsbummel in Keats zurückkehren –, und obwohl mir der Lärm oder Gestank ihrer eingesperrten Schweine oder das Quietschen ihrer Futterhamster nichts ausmachen, ist das Krähen ihres armen, benebelten Hahns in manchen Nächten mehr, als ich ertragen kann. Tiere!
     
    Tag 11:
    Heute abend Dinner über dem Promenadendeck mit Bürger Heremis Denzel, Professor im Ruhestand einer kleinen Pflanzeruniversität nahe Endymion. Er klärte mich darüber auf, daß die Erstgelandeten auf Hyperion keineswegs Tierfetischisten waren; die offiziellen Namen der drei Kontinente sind nicht Equus, Ursa und Aquila, sondern Creighton, Allensen und Lopez. Er führte weiter aus, dies sei zu Ehren von drei mittleren Beamten des alten Erkundungsdienstes geschehen. Dann schon lieber der Tierfetischismus!
    Das Essen ist vorbei. Ich bin allein auf der Außenpromenade und betrachte den Sonnenuntergang. Der Laufsteg hier wird von den vorderen Frachtmodulen abgeschirmt, daher ist der Wind wenig mehr als eine salzige Brise. Über mir krümmt sich die orangerote und grüne Haut des Luftschiffs. Wir befinden uns zwischen zwei Inseln; das Meer hat eine satte Türkisfarbe mit dunkelblauen Untertönen, eine Umkehr der Himmelsfarben. Eine Gruppe hoher Zirruswolken fängt den letzten Rest Licht von Hyperions zu kleiner Sonne ein und scheint zu glühen wie brennende Koralle. Abgesehen vom leisen Summen der elektrischen Turbinen ist kein Laut zu hören. Dreihundert Meter tiefer hält

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