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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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meine Hand immer tiefer an ihrem weichen Leib entlang; ihre Haut schien aus Samt und Elektrizität zu bestehen, und sie atmete schneller an meiner Schulter. Ich vergrub mein Gesicht an ihrem Halsansatz und roch den Schweiß und die Parfümessenz ihres zerzausten Haars.
    »Siri«, sage ich, und diesmal kommt ihr Name nicht ungewollt über meine Lippen. Unter mir, unter der Hügelkuppe und dem Schatten des weißen Grabes steht die Menge und tritt von einem Fuß auf den anderen. Die Menschen sind ungeduldig. Sie möchten, daß ich die Gruft öffne, eintrete und meinen Augenblick der Ruhe in der kühlen, stillen Einsamkeit habe, welche die warme Präsenz von Siri verdrängt hat. Sie möchten, daß ich mich verabschiede, damit sie mit ihren Riten und Ritualen fortfahren, die Farcasterportale öffnen und sich dem wartenden Weltennetz der Hegemonie anschließen können.
    Zum Teufel damit! Und zum Teufel mit ihnen!
    Ich zupfe einen Halm des dichten Weidegrases aus, kaue auf dem süßen Stengel und suche am Horizont nach ersten Spuren der wandernden Inseln. Die Schatten sind noch lang im Morgenlicht. Der Tag ist jung. Ich werde eine Weile hier sitzen und mich erinnern.
    Ich werde mich an Siri erinnern.
    Siri war ... was? – ein Vogel, glaube ich, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Sie trug eine Art Maske aus weißen Federn. Als sie sie abnahm und bei der Quadrille mitmachte, beleuchteten die Fackeln das dunkle Kastanienrot ihres Haares. Sie war aufgeregt, ihre Wangen gerötet, und ich konnte selbst über den überfüllten Platz hinweg das erstaunliche Grün ihrer Augen sehen, das einen Kontrast zur Sommerhitze ihres Gesichts und Haars bildete. Es war natürlich die Nacht des Fests. Die Fackeln rauchten in der steifen Brise vom Hafen, ihr Licht tanzte, und die Melodie der Flötenspieler auf dem Wellenbrecher, die für die vorüberziehenden Inseln spielten, gingen fast im Tosen der Brandung und dem Knattern der im Wind flatternden Wimpel unter. Siri war fast sechzehn, und ihre Schönheit brannte heller als alle Fackeln rings um den belebten Platz. Ich drängte mich durch die tanzende Menge und ging zu ihr.
    Für mich war es fünf Jahre her. Für uns war es mehr als fünfundsechzig Jahre her. Mir ist, als wäre es gestern gewesen.
    So ist das nicht gut.
    Wo soll ich nur anfangen?
     
    »Was meinst du dazu, daß wir uns aufmachen und uns eine hübsche kleine Muschi suchen, Junge?« wandte sich Mike Osho an mich. Mike, klein, untersetzt, das pummelige Gesicht eine verschlagene Karikatur Buddhas, war damals ein Gott für mich. Wir waren alle Götter; langlebig, wenn nicht unsterblich, gut bezahlt, wenn auch nicht göttlich. Die Hegemonie hatte uns als Besatzung eines ihrer kostbaren Quantensprung-Spin-Schiffe ausgewählt, wie konnten wir da weniger als Götter sein? Es war nur, daß Mike, der brillante, schillernde, respektlose Mike, ein wenig älter und damit ein wenig höher im Schiffspantheon stand als der junge Merin Aspic.
    »Ha. Wahrscheinlichkeit Null«, sagte ich. Wir schrubbten nach einer zwölfstündigen Schicht mit dem Farcaster-Bauteam. Die Arbeiter um ihren selbstgewählten Singularitätspunkt hundertsechsunddreißigtausend Kilometer von Maui-Covenant entfernt herum zu bedienen war nicht so erhaben wie der viermonatige Sprung vom Gebiet der Hegemonie. Während des c-plus-Abschnitts der Reise waren wir Spezialisten gewesen; neunundvierzig Raumschiffexperten, die rund zweihundert nervöse Passagiere versorgten. Jetzt hatten die Passagiere die Raumanzüge an, und wir Schiffsleute dienten als verklärte Handlanger, während das Bauteam die massige Sperrsphäre mit der Singularität an Ort und Stelle brachte.
    »Wahrscheinlichkeit Null«, wiederholte ich. »Es sei denn, die Gründlinge haben einen Puff auf der Quarantäneinsel gebaut, die sie uns geleast haben.«
    »Nee. Haben sie nicht«, sagte Mike grinsend. Er und ich hatten unsere drei Tage planetaren Landurlaub vor uns, aber wir wußten nach Schiffsmeister Singhs Vortrag und dem Stöhnen der Besatzung, daß wir unseren einzigen Landurlaub auf einer sieben mal vier Kilometer messenden Insel verbringen würden, die die Hegemonie gemietet hatte. Es handelte sich nicht einmal um eine der schwimmenden Inseln, von denen wir gehört hatten, nur um eine Vulkanspitze in Äquatornähe. Wenn wir dort waren, konnten wir mit richtiger Schwerkraft unter unseren Füßen rechnen, mit reiner Luft zum Atmen und der Möglichkeit, Essen zu bekommen, das nicht synthetisiert war.

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