Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Aber wir konnten uns auch darauf verlassen, daß der einzige Verkehr mit den Einheimischen sich darauf beschränken würde, hiesige Kunstgegenstände im dortigen Duty Free Shop zu kaufen. Und selbst die wurden von Handelsstrategen der Hegemonie verkauft. Viele unserer Schiffskameraden hatten beschlossen, den Landurlaub auf der Los Angeles zu verbringen.
»Also, wie sollen wir eine hübsche kleine Muschi finden, Mike? Die Kolonien sind verbotene Zone, bis der Farcaster funktioniert. Und das dauert noch rund sechzig Jahre hiesiger Zeit. Oder sprichst du von Meg in der Spincomp?«
»Bleib bei mir, Junge«, sagte Mike. »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«
Ich blieb bei Mike. Wir waren nur fünf im Landungsboot. Für mich war es immer aufregend, aus dem Hochorbit in die Atmosphäre eines richtigen Planeten zu stürzen. Besonders eines Planeten, der der Alten Erde so ähnlich sah wie Maui-Covenant. Ich bewunderte das blau-weiße Profil des Planeten, bis die Meere unten und wir in der Atmosphäre waren und uns mit dreifacher Schallgeschwindigkeit im sanften Gleitflug dem Hafen in der Dämmerung näherten.
Damals waren wir Götter. Aber selbst Götter müssen ab und zu von ihrem hohen Thron herabsteigen.
Siris Körper setzte mich immer wieder in Erstaunen. Damals auf dem Archipel. Drei Wochen in dem gewaltigen, schwankenden Baumhaus unter den gebauschten Blattsegeln mit den Delphinherden, die wie Reisebegleiter mit uns Schritt hielten, tropische Sonnenuntergänge, die den Abend mit Staunen erfüllten, der Baldachin der Sterne in der Nacht und unser eigenes Kielwasser mit seinen tausend phosphoreszierenden Strudeln, in denen sich die Konstellationen über uns spiegelten. Und dennoch erinnere ich mich fast nur an Siris Körper. Aus einem unerfindlichen Grund – Schüchternheit, die Jahre der Trennung – trug sie einen Bikini während der ersten Tage unseres Aufenthalts im Archipel, daher waren ihre sanften runden Brüste und der Unterleib nicht so braungebrannt wie der Rest, als ich wieder aufbrechen mußte.
Ich erinnere mich an sie bei diesem ersten Mal. Dreiecke im Mondschein, als wir im weichen Gras über Firstsite Harbor lagen. Ihr Seidenhöschen auf einem Geflecht aus Weidengras. Damals besaß sie die Schamhaftigkeit eines Kindes; das leichte Zögern, als würde etwas vorzeitig gegeben werden. Aber auch Stolz. Derselbe Stolz, der ihr später ermöglichte, sich dem wütenden Mob auf den Stufen des Hegemoniekonsulats in Süd-Tem entgegenzustellen und diesen beschämt nach Hause zu schicken.
Ich erinnere mich an meine fünfte Landung, unser viertes Wiedersehen. Eine der wenigen Gelegenheiten, da ich sie jemals weinen sah. Mittlerweile war sie mit ihrem Ruhm und ihrer Weisheit fast königlich. Sie war viermal ins All-Wesen gewählt worden, und der Rat der Hegemonie wandte sich um Rat und Führung an sie. Sie trug ihre Unabhängigkeit wie einen Thronmantel, und ihr unbeugsamer Stolz hatte nie heller gebrannt. Aber als wir allein in der aus Stein erbauten Villa südlich von Fevarone waren, wandte sie sich ab. Ich war nervös und hatte etwas Angst vor dieser mächtigen Fremden, aber es war Siri – Siri mit dem aufrechten Rücken und den stolzen Augen, die das Gesicht zur Wand drehte und durch Tränen hindurch sagte: »Geh weg. Geh weg, Merin. Ich will nicht, daß du mich siehst. Ich bin eine Vettel, alt und schlaff. Geh weg!«
Ich gestehe, daß ich da grob mit ihr war. Ich hielt ihre Handgelenke mit der linken Hand fest – mit einer Kraft, die selbst mich überraschte – und zog ihr das Seidenkleid mit einer einzigen Bewegung herunter. Ich küßte ihre Schultern, ihren Hals, die verblaßten Schatten von Geburtsstreifen auf ihrem straffen Bauch und die Narbe am Oberschenkel von dem Gleiterabsturz vor vierzig Jahren ihrer Zeit. Ich küßte ihr graues Haar und die Falten der einst glatten Wangen. Ich küßte ihre Tränen.
»Herrgott Mike, das kann unmöglich legal sein«, sagte ich, als mein Freund die Schwebematte aus seinem Rucksack aufrollte. Wir befanden uns auf Insel 241, wie die Händler der Hegemonie den abgelegenen vulkanischen Makel, den sie als Ort für unseren Landurlaub gewählt hatten, so romantisch nannten. Insel 241 war weniger als fünfzig Kilometer von der ältesten Kolonialsiedlung entfernt, aber es hätten ebenso gut fünfzig Lichtjahre sein können. Kein einheimisches Schiff durfte an der Insel anlegen, solange Besatzung oder Farcasterarbeiter der Los Angeles anwesend waren. Die
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