Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
wenige Kolonialwelten geworden.
    »Sie muß dich ein Vermögen gekostet haben«, sagte ich.
    »Dreißig Mark«, sagte Mike und setzte sich auf die Mitte des Teppichs. »Der alte Händler auf dem Markt von Carneval hielt sie für wertlos. War sie auch ... für ihn. Ich habe sie ins Schiff gebracht, aufgeladen, die Inertchips neu programmiert, und voiläl« Mike legte die Handfläche auf das komplexe Muster, worauf die Matte starr wurde und sich fünfzehn Zentimeter über den Felsensims erhob.
    Ich betrachtete sie zweifelnd. »Na gut«, sagte ich, »aber wenn sie nun ...«
    »Das wird sie nicht«, sagte Mike ungeduldig und tätschelte den Teppich hinter sich. »Sie ist voll aufgeladen. Ich kann damit umgehen. Komm schon, steig rauf oder geh zurück! Ich will mich auf den Weg machen, bevor das Unwetter kommt.«
    »Aber ich glaube nicht ...«
    »Komm schon, Merin! Entscheide dich. Ich hab's eilig.«
    Ich zögerte noch einen Moment lang. Wenn wir erwischt wurden, wie wir die Insel verließen, würden sie uns beide aus dem Schiff werfen. Die Schiffsarbeit war jetzt mein Leben. Diese Entscheidung hatte ich getroffen, als ich den Vertrag über acht Missionen auf Maui-Covenant unterschrieben hatte. Mehr noch, ich war zweihundert Lichtjahre und fünfeinhalb Sprungjahre von der Zivilisation entfernt. Selbst wenn sie uns ins Gebiet der Hegemonie zurückbrachten, hätte die Rundreise uns elf Jahre mit Freunden und Familie gekostet. Die Zeitschuld ließ sich nicht umgehen.
    Ich kletterte hinter Mike auf die schwebende Matte. Er verstaute den Rucksack zwischen uns, sagte mir, ich sollte mich festhalten und berührte die Flugmuster. Die Matte erhob sich fünf Meter über den Sims, kippte rasch nach links und schoß über das fremde Meer hinaus.
    Dreihundert Meter unter uns schäumte die weiße Brandung in der zunehmenden Dunkelheit. Wir stiegen höher über das tosende Wasser und flogen nach Norden in die Nacht.
    Von einer so raschen Entscheidung kann eine ganze Zukunft abhängen.
     
    Ich erinnere mich, wie ich bei unserem Zweiten Wiedersehen mit Siri gesprochen habe, kurz nachdem wir zum ersten Mal die Villa an der Küste bei Fevarone besucht hatten. Wir gingen am Strand entlang. Alón hatte die Erlaubnis bekommen, unter Aufsicht von Magritte in der Stadt zu bleiben. Auch gut. Ich fühlte mich in Gegenwart des Jungen nie richtig wohl. Nur der unbestreitbare Ernst seiner grünen Augen und die beunruhigende Spiegelgleichheit seiner kurzen, dunklen Locken und der Stupsnase verbanden ihn in meinem Denken mit mir ... mit uns. Das und das rasche, fast sardonische Lächeln, bei dem ich ihn ab und zu erwischte und das er vor Siri verbarg, wenn sie ihn zurechtwies. Dieses Lächeln war zu zynisch amüsiert und selbstgefällig für einen Zehnjährigen. Ich kannte es gut. Ich hatte aber immer gedacht, so etwas würde man lernen, nicht erben.
    »Du weißt sehr wenig«, sagte Siri zu mir. Sie watete ohne Schuhe in der seichten Gischt. Von Zeit zu Zeit hob sie die zerbrechliche Schale einer Muschel hoch, untersuchte sie nach Makeln und ließ sie wieder ins schäumende Wasser fallen.
    »Ich habe eine gute Ausbildung«, sagte ich.
    »Ja, ich bin sicher, daß du eine gute Ausbildung hast«, stimmte Siri zu. »Ich weiß, daß du sehr geschickt bist, Merin. Aber du weißt sehr wenig.«
    Verärgert und nicht sicher, wie ich darauf reagieren sollte, ging ich mit gesenktem Kopf weiter. Ich grub einen weißen Lavastein aus dem Sand und warf ihn weit in die Bucht hinaus. Regenwolken türmten sich am östlichen Horizont auf. Ich wünschte mir, ich wäre wieder an Bord des Schiffs. Diesmal war ich nur widerwillig zurückgekehrt, und jetzt wußte ich, daß es ein Fehler war. Es war mein dritter Besuch auf Maui-Covenant, unser Zweites Wiedersehen, wie es die Dichter und ihr Volk nannten. Ich wurde in fünf Monaten einundzwanzig Standardjahre alt. Siri hatte vor drei Wochen gerade ihren siebenunddreißigsten Geburtstag gefeiert.
    »Ich habe viele Orte besucht, die du nie gesehen hast«, sagte ich schließlich. Selbst ich fand, daß es sich quengelnd und kindisch anhörte.
    »O ja«, sagte Siri und klatschte in die Hände. Für einen Augenblick erkannte ich in ihrer Begeisterung meine andere Siri – das junge Mädchen, von dem ich die neun langen Monate des Wendemanövers über geträumt hatte. Dann wich das Wunschbild der rauhen Wirklichkeit, und ich sah nur zu deutlich ihr kurzes Haar, die schlaffen Halsmuskeln und die Wülste, die auf den Rücken dieser

Weitere Kostenlose Bücher