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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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einst so geliebten Hände auftauchten. »Du hast Orte besucht, die ich nie sehen werde«, sagte Siri in einem Zug. Ihre Stimme war unverändert. Fast unverändert. »Merin, Liebster, du hast bereits Dinge gesehen, die ich mir nicht einmal vorstellen kann. Du weißt wahrscheinlich mehr Fakten über das Universum, als ich mir je träumen lassen könnte. Aber du weißt sehr wenig, Geliebter.«
    »Verdammt, wovon redest du, Siri?« Ich setzte mich auf einen halb versunkenen Stamm bei dem Streifen nassen Sands und zog die Knie wie einen Zaun zwischen uns hoch.
    Siri kam aus dem Wasser und kniete vor mir hin. Sie nahm meine Hände in ihre, und obwohl meine größer waren, schwerer, Finger und Knochen plumper, konnte ich die Kraft in ihren spüren. Ich stellte mir vor, daß es die Kraft der Jahre war, die ich noch nicht erlebt hatte. »Man muß leben, um wirklich etwas zu wissen, Liebster. Alón zu haben hat mir geholfen, das zu begreifen. Wenn man ein Kind großzieht, schärft das das Gespür für all das, was wirklich ist.«
    »Wie meinst du das?«
    Siri sah einen Moment lang blinzelnd in die andere Richtung und strich sich geistesabwesend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre linke Hand blieb fest um meine beiden. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie leise. »Ich glaube, man beginnt zu spüren, wenn etwas nicht wichtig ist. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Wenn man dreißig Jahre lang in Zimmer voller Fremder spaziert ist, belastet einen das nicht mehr so sehr wie mit der Hälfte dieser Zeit an Erfahrung. Man weiß, was das Zimmer und die Menschen darin wahrscheinlich für einen bereithalten, und man sieht ihm entgegen. Wenn es nicht da ist, spürt man es früher, entfernt sich und geht wieder seinen Belangen nach. Man weiß einfach mehr darüber, was ist, was nicht ist und wie wenig Zeit einem bleibt, den Unterschied zu lernen. Verstehst du, Merin? Kannst du mir nur ein klein wenig folgen?«
    »Nein«, sagte ich.
    Siri nickte und biß sich auf die Unterlippe. Aber sie sagte eine Weile nichts mehr. Statt dessen beugte sie sich zu mir und küßte mich. Ihre Lippen waren trocken und ein kleines bißchen fragend. Ich hielt mich einen Moment lang zurück, betrachtete den Himmel hinter ihr, wollte Zeit zum Nachdenken haben. Aber dann spürte ich, wie ihre warme Zunge eindrang, und machte die Augen zu. Hinter uns kam die Flut. Ich verspürte eine freudige Wärme und Erregung, als Siri mir das Hemd aufknöpfte und mit spitzen Fingernägeln über meine Brust strich. Dann folgte eine Sekunde der Leere zwischen uns, ich schlug die Augen auf und sah gerade noch, wie sie die Knöpfe ihres weißen Kleids aufknöpfte. Ihre Brüste waren größer als ich sie in Erinnerung hatte, schwerer, die Höfe der Brustwarzen größer und dunkler. Die kalte Luft setzte uns beiden zu, bis ich den Stoff über ihre Schultern herabzog und unsere Oberkörper aneinander drückte. Wir rutschten an dem Stamm hinab auf den warmen Sand. Ich drückte sie an mich und fragte mich die ganze Zeit, wie ich sie nur für die Stärkere hatte halten können. Ihre Haut schmeckte nach Salz.
    Siris Hände halfen mir. Ihr kurzes Haar lag auf gebleichtem Holz, weißem Stoff und Sand. Mein Puls ging schneller als die Brandung.
    »Verstehst du, Merin?« flüsterte sie mir Sekunden später zu, als ihre Wärme uns verband.
    »Ja«, flüsterte ich zurück, aber ich verstand nicht.
     
    Mike näherte sich Firstsite von Osten auf der Schwebematte. Der Flug hatte über eine Stunde in der Dunkelheit gedauert, und ich hatte die ganze Zeit über zusammengekauert im Wind darauf gewartet, daß der Teppich zusammenklappen und uns ins Meer stürzen würde. Wir waren immer noch eine halbe Stunde entfernt, als wir die erste der schwimmenden Inseln sahen. Die Inseln rasten mit geblähten Baumsegeln von ihren südlichen Nahrungsgründen vor dem Sturm dahin – eine scheinbar endlose Prozession. Viele waren strahlend beleuchtet und mit bunten Laternen und wabernden Schleiern von Sommerfäden geschmückt.
    »Bist du sicher, daß das der richtige Weg ist?« rief ich.
    »Ja«, rief Mike. Er drehte den Kopf nicht herum. Der Wind wehte mir sein langes schwarzes Haar ins Gesicht. Von Zeit zu Zeit sah er auf den Kompaß und nahm geringe Kurskorrekturen vor. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, den Inseln zu folgen. Wir kamen an einer vorbei – einer großen, fast einen halben Kilometer lang –, und ich strengte mich an, Einzelheiten zu erkennen, aber die Insel war dunkel,

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