Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
ziemlich genau in der Mitte dieser unermeßlichen, hallenden Höhle von einem Raum lag.
    In der Mitte der großen Halle befand sich ein Altar – ein Steinklotz, fünf Meter im Quadrat, der stehengelassen worden war, als man den Rest ausgehöhlt hatte –, und über diesem Altar befand sich ein Kreuz.
    Vier Meter hoch, drei Meter breit, im frühen Stil der kostbaren Kruzifixe der Alten Erde geschnitzt, so befand sich das Kreuz der Buntglaswand gegenüber, als wartete es auf die Sonne und die Explosion von Licht, welche die eingelegten Diamanten, Saphire, Blutkristalle, Lapislazuliperlen, Königinnentränen, Onyxe und anderen Edelsteine entzünden würde, die ich beim Näherkommen im Licht der Taschenlampe erkennen konnte.
    Ich kniete nieder und betete. Ich schaltete die Taschenlampe aus und wartete ein paar Minuten, bis meine Augen das Kreuz im trüben, rauchigen Licht erkennen konnten. Das war zweifellos die Kruziform, von der die Bikura immer sprachen. Und es war vor vielen tausend – vielleicht zehntausend – Jahren hier errichtet worden, lange bevor die Menschheit die Alte Erde verlassen hatte. Mit ziemlicher Sicherheit bevor Christus in Galiläa gelehrt hat.
    Ich betete.
    Heute sitze ich im Sonnenschein, nachdem ich die Holodiscs angesehen habe. Ich konnte bestätigen, was mir nach meiner Rückkehr auf die Klippe nach der Entdeckung der ›Basilika‹, wie ich sie jetzt nenne, kaum aufgefallen war. Am Sims vor der Basilika befinden sich Stufen, die noch weiter in die Kluft hinab führen. Sie sind zwar nicht so ausgetreten wie der Pfad, der zur Basilika selbst führt, aber gleichermaßen faszinierend. Gott allein weiß, welche Wunder noch da unten warten mögen.
    Ich muß die Welt von diesem Fund wissen lassen!
    Die Ironie, daß ausgerechnet ich derjenige bin, der die Entdeckung gemacht hat, ist mir nicht entgangen. Wären Armaghast und meine Verbannung nicht gewesen, hätte die Entdeckung wahrscheinlich noch weitere Jahrhunderte warten müssen. Die Kirche hätte aussterben können, bevor ihr diese Offenbarung neues Leben einhauchen konnte.
    Aber ich habe sie gefunden.
    Und ich werde meine Botschaft so oder so hinausbekommen.
     
    Tag 107:
    Ich bin Gefangener.
    Heute morgen habe ich an meiner üblichen Stelle gebadet, kurz bevor der Bach über den Klippenrand stürzt, als ich ein Geräusch hörte, mich umdrehte und den Bikura, den ich Del nenne, erblickte, der mich mit großen Augen ansah. Ich rief einen Gruß, aber der kleine Bikura drehte sich um und rannte weg. Das war verwirrend. Sie sind selten in Eile. Dann überlegte ich mir, daß ich zwar noch Hosen trug, aber zweifellos ihr Nacktheitstabu verletzte, als ich mich vor Del mit entblößtem Oberkörper zeigte.
    Ich lächelte, schüttelte den Kopf, zog mich an und ging zum Dorf zurück. Hätte ich gewußt, was mich dort erwartete, wäre ich nicht so heiter gewesen.
    Sämtliche Fünf Dutzend und Zehn warteten und sahen mir entgegen. Ich blieb ein paar Schritte von AI entfernt stehen. »Guten Tag«, sagte ich.
    Alpha machte eine Geste, worauf sich ein halbes Dutzend Bikura auf mich stürzten, meine Arme und Beine ergriffen und mich auf den Boden drückten. Beta kam nach vorne und nahm einen scharfgeschliffenen Stein aus ihrem Gewand. Während ich vergeblich versuchte, mich zu befreien, schnitt Beta meine Kleidung an der Vorderseite auf und zog die Fetzen beiseite, bis ich nackt war.
    Ich hörte auf, mich zu wehren, als der Mob nach vorne drängte. Sie betrachteten meinen blassen, weißen Körper und murmelten bei sich. Ich konnte mein Herz schlagen spüren. »Es tut mir leid, wenn ich gegen eure Gesetze verstoßen habe«, sagte ich, »aber es besteht kein Grund ...«
    »Schweig!« sagte Alpha und wandte sich an den großen Bikura mit der Narbe auf der Handfläche – den ich Zed nenne. »Er gehört nicht zur Kruziform.« Zed nickte.
    »Laßt mich erklären«, begann ich wieder, aber Alpha brachte mich durch einen Schlag mit dem Handrücken zum Schweigen, nach dem meine Lippen bluteten und meine Ohren klingelten. Die Geste hatte ebenso wenig Feindseligkeit ausgedrückt, als hätte ich ein Komlog mittels Knopfdruck zum Schweigen gebracht.
    »Was sollen wir mit ihm machen?« fragte Alpha.
    »Wer dem Kreuz nicht folgt, muß den wahren Tod sterben«, sagte Beta, worauf die Menge nach vorne drängte. Viele hatten scharf geschliffene Steine in den Händen. »Wer nicht zur Kruziform gehört, muß den wahren Tod sterben«, sagte Beta im Tonfall selbstgefälliger

Weitere Kostenlose Bücher