Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
ich sind am Tag 87 hier angekommen ...
Ich kann nicht noch einmal hundert Tage warten, um der Welt ... allen Welten die Kunde zu bringen.
Wenn nur ein Gleiter Wetter und Flammenwäldern trotzen und mich hier abholen würde. Wenn ich nur Zugang zu einem der Datafix-Satelliten hätte, die den Planeten versorgen.
Alles ist möglich. Es werden weitere Wunder geschehen.
23.50 Uhr -
Die Fünf Dutzend und Zehn sind in die Kluft hinabgestiegen. Die Stimmen des abendlichen Windchors erklingen ringsum.
Wie sehr ich mir wünsche, ich könnte jetzt bei ihnen sein! Dort unten.
Ich werde das nächstbeste tun. Ich werde am Rand der Klippe auf die Knie sinken und beten, während der Orgelklang des Planeten und des Himmels einen Psalm für einen, wie ich nun weiß, sehr wirklichen Gott singt.
Tag 106:
Ich wachte heute morgen an einem perfekten Morgen auf. Der Himmel war dunkel türkisfarben; die Sonne ein darin eingelassener, scharf umrissener, blutroter Stein. Ich stand vor meiner Hütte, während sich der Nebel verzog, die Baumaffen ihr morgendliches Kreischkonzert beendeten und die Luft allmählich wärmer wurde. Dann ging ich nach drinnen und sah meine Bänder und Discs noch einmal an.
Ich habe gesehen, daß ich in meinem aufgeregten Gekritzel gestern überhaupt nicht erwähnte, was ich unter der Klippe gefunden habe. Das werde ich jetzt nachholen. Ich habe die Discs, Filmbänder und Komlogaufzeichnungen, aber es besteht immer die Möglichkeit, daß nur diese persönlichen Aufzeichnungen gefunden werden.
Ich ließ mich ungefähr um 07.30 Uhr gestern morgen über den Rand der Klippe hinunter. Die Bikura waren alle in den Wald zum Sammeln gegangen. Der Abstieg an den Ranken hatte einen einfachen Eindruck gemacht – sie waren zusammengebunden, daß eine Art Leiter entstand –, aber als ich mich über den Rand schwang und den Abstieg begann, konnte ich mein Herz so sehr klopfen spüren, daß es weh tat. Die Kluft fiel steil fast dreitausend Meter zu den Felsen und dem Fluß unten hinab. Ich hielt mich immer an mindestens zwei Ranken fest und arbeitete mich zentimeterweise nach unten, stets bemüht, nicht in den Abgrund unter meinen Füßen zu sehen.
Ich brauchte fast eine ganze Stunde, um den Abstieg von etwa hundertfünfzig Metern zu bewerkstelligen, den die Bikura sicher in zehn Minuten schaffen. Schließlich erreichte ich die Krümmung eines Überhangs. Einige Ranken erstreckten sich ins Leere, aber die meisten krümmten sich unter dem vorstehenden Felsgesimse zur dreißig Meter einwärts gelegenen Klippen wand. Hie und da schienen die Ranken geflochten zu sein, so daß sie primitive Brücken bildeten, auf denen die Bikura wahrscheinlich mit wenig bis gar keiner Unterstützung ihrer Hände gehen konnten. Ich kroch an diesen geflochtenen Reben entlang, klammerte mich dabei an anderen Ranken fest und murmelte Gebete, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr aufgesagt hatte. Ich sah starr geradeaus, als könnte ich vergessen, daß eine scheinbar endlose Ausdehnung von Leere unter diesen schwankenden, ächzenden Strängen pflanzlicher Substanz wartete.
Ein breiter Sims verlief an der Klippenwand entlang. Ich kroch, bis mich drei Meter davon vom Abgrund trennten, dann zwängte ich mich zwischen den Ranken hindurch und sprang die zweieinhalb Meter zum Fels hinab.
Der Sims war etwa fünf Meter breit und hörte ein Stück entfernt im Nordosten auf, wo die große Masse des Überhangs begann. Ich folgte einem Weg auf dem Sims nach Südwesten und hatte zwanzig oder dreißig Schritte zurückgelegt, als ich wie vom Schock getroffen stehenblieb. Es war ein Pfad. Ein aus solidem Fels getretener Pfad. Seine glänzende Oberfläche lag Zentimeter unter der des umliegenden Felsgesteins. Ein Stück weiter, wo der Pfad einen gekrümmten Absatz des Simses hinab zu einer breiteren, tieferen Ebene verlief, waren Stufen in den Fels gehauen worden, doch waren diese so sehr ausgetreten, daß sie in der Mitte durchzuhängen schienen.
Ich setzte mich einen Augenblick lang hin, als mir die Bedeutung dieser simplen Tatsache aufging. Nicht einmal vier Jahrhunderte Ausflüge der Fünf Dutzend und Zehn konnten für eine derartige Erosion soliden Felsens verantwortlich sein. Jemand oder etwas hatte diesen Pfad schon lange vor der Notlandung der Bikura-Kolonisten benützt. Jemand oder etwas hatte diesen Pfad über viele Jahrtausende hinweg benützt.
Ich stand auf und ging weiter. Abgesehen vom Wind, der sanft durch die einen halben Kilometer
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