Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
seinen perspektivischen Tricks und unmöglichen Winkeln, teils Alptraum von Bosch mit seinen Tunnelöffnungen, verborgenen Kammern, dunklen Gärten und verbotenen Flügeln, und – mehr als alles andere – Teil von Hyperions Vergangenheit.
    Jetzt stand er nicht mehr. Gewaltige Haufen rußiger Steintrümmer waren der einzige Beweis für die einstige Majestät des Gebäudes. Geschmolzene Metallträger ragten zwischen den Steinen hervor wie die Rippen eines hünenhaften Leichnams. Ein großer Teil der Trümmer war in die Gruben, Keller und Durchgänge gestürzt, die unter dem drei Jahrhunderte alten Meilenstein gelegen hatten. Der Konsul trat dicht an den Rand einer Grube und fragte sich, ob die tiefen Kellergewölbe tatsächlich – wie die Legende behauptete – mit einem der Labyrinthe des Planeten verbunden waren.
    »Sieht aus, als hätten sie das Gebäude mit einer Höllenpeitsche bearbeitet«, sagte Martin Silenus und benützte einen archaischen Ausdruck für eine hochenergetische Laserwaffe. Der Dichter schien plötzlich nüchtern zu sein, als er zum Konsul am Rand der Grube trat. »Ich kann mich noch erinnern, als der Tempel und Teile der Altstadt das einzige hier waren«, sagte er. »Nach der Katastrophe bei den Gräbern hat Billy beschlossen, Jacktown hierher zu verlegen – wegen des Tempels. Und jetzt ist er futsch. Herrgott.«
    »Nein«, sagte Kassad.
    Die anderen sahen ihn an.
    Der Oberst, der die Trümmer untersucht hatte, stand wieder auf. »Keine Höllenpeitsche«, sagte er. »Gebündelte Plasmaladungen. Mehrere.«
    »Möchtest du jetzt noch hier bleiben und diese nutzlose Pilgerfahrt machen?« fragte Theo. »Komm mit mir zum Konsulat.« Er sprach den Konsul an, schloß aber die anderen in seine Einladung ein.
    Der Konsul wandte sich von der Grube ab und betrachtete seinen ehemaligen Attaché, doch nun sah er zum ersten Mal den Generalkonsul einer belagerten Welt der Hegemonie. »Das können wir nicht, Eure Exzellenz«, sagte der Konsul. »Jedenfalls ich nicht. Für die anderen kann ich nicht sprechen.«
    Die vier Männer und die Frau schüttelten den Kopf. Silenus und Kassad machten sich daran, das Gepäck auszuladen. Der Regen war als leichter Nebel zurückgekehrt, der aus der Dunkelheit fiel. In diesem Augenblick bemerkte der Konsul die beiden Angriffsgleiter von FORCE, die über den nahegelegenen Dächern schwebten. Dunkelheit und Chamäleonpolymerhüllen hatten sie gut verborgen, aber jetzt offenbarte der Regen ihre Umrisse. Natürlich, dachte der Konsul, der Generalgouverneur reist nicht ohne Eskorte.
    »Sind die Priester entkommen? Gab es Überlebende, als der Tempel zerstört wurde?« fragte Brawne Lamia.
    »Ja«, sagte Theo. Der De-facto-Diktator von fünf Millionen zum Untergang verurteilten Seelen nahm die Brille ab und putzte sie am Hemdzipfel. »Alle Priester des Shrike-Kults und ihre Anwärter sind durch Tunnel entkommen. Der Mob hatte den Tempel schon monatelang umzingelt. Ihre Anführerin, eine Frau namens Cammon, von irgendwo östlich des Grasmeers, warnte alle im Tempel rechtzeitig, bevor sie die DL-20 zündete.«
    »Und wo war die Polizei?« fragte der Konsul. »Die SST? FORCE?«
    Theo Lane lächelte, und in diesem Augenblick sah er Jahrzehnte älter aus als der junge Mann, den der Konsul gekannt hatte. »Ihr seid drei Jahre im Transit gewesen«, sagte er. »Das Universum hat sich verändert. Shrike-Kultisten werden sogar im Netz verbrannt und zusammengeschlagen. Dann könnt ihr euch das Verhalten hier sicher vorstellen. Die Polizei von Keats wurde unter dem Kriegsrecht vereinnahmt, das ich vor vierzehn Monaten verhängt habe. Sie und die SST haben zugesehen, wie der Mob den Tempel niedergebrannt hat. Ich auch. Es waren eine halbe Million Menschen anwesend.«
    Sol Weintraub kam näher. »Wissen sie von uns? Von dieser letzten Pilgerfahrt?«
    »Wenn sie es wüßten«, sagte Theo, »wäre keiner von Ihnen mehr am Leben. Man sollte meinen, ihnen müßte alles recht sein, was das Shrike besänftigen könnte, aber der Mob würde nur auf eines achten, nämlich daß Sie von der Kirche des Shrike ausgewählt worden sind. Ich mußte mich auch schon über meinen eigenen Ratgeberstab hinwegsetzen. Er war dafür, Ihr Schiff zu vernichten, bevor es in die Atmosphäre eintrat.«
    »Warum hast du das getan?« fragte der Konsul. »Dich darüber hinweggesetzt?«
    Theo seufzte und rückte die Brille zurecht. »Hyperion braucht die Hegemonie noch, und Gladstone hat noch das Vertrauen des All-Wesens,

Weitere Kostenlose Bücher