Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Hegemonie verboten, Androiden zu besitzen, und fast ebenso lang wurden keine mehr biofabriziert, aber in entlegenen Teilen und auf Welten ohne Koloniestatus – Welten wie Hyperion – wurden sie immer noch als Arbeitskräfte eingesetzt. Im Tempel des Shrike waren Androiden in großer Zahl eingesetzt worden – aufgrund der kirchlichen Doktrin, daß Androiden frei von der Erbsünde waren, der Menschheit dadurch spirituell überlegen und – nebenbei – vor der schrecklichen und unausweichlichen Vergeltung des Shrike sicher.
»Sie müssen rasch mitkommen«, flüsterte der Android und zog die Kapuze wieder über den Kopf.
»Kommst du vom Tempel?« fragte Lamia.
»Still!« fauchte der Android. Er drehte sich zum Saal um, wieder zurück und nickte. Der Konsul sah zu, wie Kassad beiläufig die lange Lederjacke aufzog, die er anhatte. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf den Todesstrahler im Gürtel des Obersten. Normalerweise hätte der Gedanke, einen Todesstrahler auch nur in der Nähe zu haben, den Konsul abgestoßen – der winzigste Fehlgriff konnte jede Synapse auf dem Balkon pürieren –, aber in diesem Augenblick beruhigte ihn der Anblick auf seltsame Weise.
»Unser Gepäck ...«, begann Weintraub.
»Wurde bereits versorgt«, flüsterte der Mann mit der Kapuze. »Rasch jetzt!«
Die Gruppe folgte dem Androiden die Treppe hinunter in die Nacht; ihre Bewegungen waren so müde und passiv wie ein Seufzen.
Der Konsul schlief lange. Eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang fand ein Rechteck aus Licht einen Weg zwischen der Jalousie des Bullauges hindurch und fiel auf sein Kissen. Der Konsul wälzte sich herum, wachte aber nicht auf. Eine Stunde später ertönte ein lautes Poltern, als die müden Mantas, die die Barke die ganze Nacht gezogen hatten, freigelassen und frische aufgezäumt wurden. Der Konsul schlief weiter. Im Verlauf der nächsten Stunde wurden die Schritte und Rufe der Mannschaft auf dem Deck vor seiner Koje immer lauter, doch es war der Warnton vor den Schleusen bei Karla, der ihn schließlich aus dem Schlummer riß.
Er bewegte sich langsam und in der drogengleichen Trägheit des Fugenkaters, badete, so gut es ihm nur mit Becken und Pumpe möglich war, zog eine weite Baumwollhose, ein altes Segeltuchhemd und Schuhe mit Schaumstoffsohlen an, dann begab er sich auf das Mitteldeck.
Das Frühstück war auf einem langen Sideboard bei einem verwitterten Tisch aufgebaut worden, der in die Decksplanken versenkt werden konnte. Ein Baldachin spendete dem ganzen Abschnitt Schatten, die scharlachrote und goldene Leinwand flatterte in der Brise des Fahrtwinds. Es war ein herrlicher, wolkenloser und strahlender Tag, und Hyperions Sonne machte durch sengende Glut wett, was ihr an Größe fehlte.
M. Weintraub, Lamia, Kassad und Silenus waren schon einige Zeit wach. Lenar Hoyt und Het Masteen gesellten sich wenige Minuten nach Eintreffen des Konsuls zu der Gruppe.
Der Konsul nahm sich gerösteten Fisch, Obst und Orangensaft vom Büffet und trat dann an die Reling. Das Wasser war an dieser Stelle breit, mindestens einen Kilometer von Ufer zu Ufer, sein grüner und türkisfarbener Schimmer spiegelte den Himmel. Auf den ersten Blick kannte der Konsul das Land auf beiden Seiten des Flusses nicht. Im Osten erstreckten sich periskopartige Bohnenstangen bis in die dunstige Ferne, wo die aufgehende Sonne sich in tausend überfluteten Oberflächen spiegelte. An Kreuzungen von Bewässerungsgräben waren einige Eingeborenenhütten zu sehen, deren schiefwinklige Wände aus gebleichtem Wehrholz oder goldener Halbeiche bestanden. Im Westen war das Flachland am Ufer entlang von niederen Gissenranken, Frauenhainwurzeln und einem leuchtend roten Farn überwuchert, den der Konsul gar nicht kannte, und das alles wuchs um sumpfige Marschen und winzige Lagunen herum, die sich etwa einen Kilometer bis zu Klippen erstreckten, wo Immerblaubüsche sich an jeden bloßen Fleck zwischen den Granitfelsen klammerten.
Einen Augenblick lang fühlte sich der Konsul verirrt und desorientiert auf einer Welt, die er gut zu kennen glaubte, aber dann fiel ihm die Warnsirene bei den Schleusen von Karla wieder ein und ihm wurde klar, daß sie sich auf einem selten befahrenen Abschnitt des Hoolie nördlich von Doukhobor's Wäldchen befanden. Der Konsul hatte diesen Abschnitt des Flusses nie gesehen, da er stets auf dem Königlichen Transportkanal, der westlich der Klippen lag, gereist oder darüber hinweg geflogen war. Er konnte nur annehmen, daß
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