Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
bißchen ausgerichtet, davon abgesehen, daß sie den Mob im Zaum halten. Oh, die Marines machen viel Wirbel darum, daß sie den Raumhafen hier halten und die Anlegezone im Hafen von Port R. sichern, aber sie haben nicht einmal versucht, dem Shrike gegenüberzutreten. Sie warten darauf, gegen die Ousters zu kämpfen.«
»SST?« fragte der Konsul und wußte noch während er es sagte, daß die schlecht ausgebildete Selbstschutztruppe kaum eine Hilfe sein dürfte.
Theo schnaubte. »Mindestens achttausend der Opfer sind von der SST. General Braxton hat das ›Kämpfende Drittel‹ die Uferstraße entlang geführt, um ›in ihrem Nest gegen die Bedrohung Shrike vorzugehen‹ und das war das letzte, was wir von ihnen gehört haben.«
»Du machst Witze«, sagte der Konsul, aber ein Blick ins müde Gesicht seines Freundes verriet ihm, daß es nicht so war. »Theo«, sagte er, »wie, um alles in der Welt, hast du die Zeit gefunden, uns am Raumhafen abzuholen?«
»Habe ich nicht«, sagte der Generalgouverneur. Er sah nach hinten. Die anderen schliefen oder sahen erschöpft zu den Bullaugen hinaus. »Ich mußte mit dir reden«, sagte Theo. »Dich davon überzeugen, nicht zu gehen.«
Der Konsul schüttelte den Kopf, aber Theo packte ihn am Arm und drückte fest. »Hör dir an, was ich zu sagen habe, verdammt. Ich weiß, wie schwer es für dich ist, hierher zurückzukommen nach ... allem, was passiert ist, aber, verflucht, es hat keinen Sinn, daß du ohne Grund alles wegwirfst. Laß diese dumme Pilgerfahrt sein! Bleib in Keats!«
»Ich kann nicht ...«, begann der Konsul.
»Hör mich an!« verlangte Theo. »Grund eins: Du bist der beste Diplomat und Krisenmanager, den ich je gesehen habe, und wir brauchen deine Fähigkeiten.«
»Es ist nicht ...«
»Sei eine Minute lang still! Grund zwei: Du und die anderen, ihr kommt nicht auf zweihundert Klicks an die Zeitgräber ran. Es ist nicht wie früher, als du noch hier warst und die verdammten Selbstmörder da rauf gehen und vielleicht eine Woche rumsitzen und möglicherweise sogar ihre Meinung ändern und wieder nach Hause kommen konnten. Das Shrike ist in Bewegung. Es ist gerade wie eine Heimsuchung.«
»Das weiß ich, aber ...«
»Grund drei: Ich brauche dich. Ich habe Tau Ceti Center angefleht, jemand anderen herzuschicken. Als ich erfahren habe, daß du kommst ... nun, verdammt, das hat mir über die letzten zwei Jahre hinweggeholfen.«
Der Konsul schüttelte den Kopf, weil er nicht begriff.
Theo gab die Schleife über dem Stadtzentrum ein, dann ging er in Schwebeflug über, wandte den Blick von den Kontrollen ab und sah den Konsul direkt an. »Ich möchte, daß du Generalgouverneur wirst. Der Senat wird keine Einwände erheben – außer vielleicht Gladstone –, und bis sie es herausfindet, wird es zu spät sein.«
Dem Konsul war zumute, als hätte ihm jemand unter die dritte Rippe geschlagen. Er sah weg, in das Labyrinth enger Straßen und windschiefer Gebäude von Jacktown, der Altstadt, hinunter. Als er wieder sprechen konnte, sagte er: »Ich kann nicht, Theo.«
»Hör zu, wenn du ...«
»Nein. Ich meine, ich kann nicht. Es würde nichts nützen, wenn ich akzeptieren würde, aber die Wahrheit ist schlicht und einfach: Ich kann nicht. Ich muß an dieser Pilgerfahrt teilnehmen.«
Theo rückte die Brille zurecht und sah starr geradeaus.
»Hör zu, Theo! Du bist der kompetenteste und fähigste Beamte im Auswärtigen Dienst, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Ich bin seit acht Jahren raus aus dem Geschäft. Ich glaube ...«
Theo nickte verkrampft und unterbrach ihn. »Ich nehme an, ihr wollt zum Tempel des Shrike.«
»Ja.«
Der Gleiter kreiste und landete. Der Konsul sah ins Leere und dachte nach, als die Türen des Gleiters nach oben glitten und sich zusammenklappten und Sol Weintraub sagte: »Großer Gott.«
Die Gruppe stieg aus und betrachtete die verkohlten, eingestürzten Trümmer des einstigen Shrike-Tempels. Seit die Zeitgräber vor fünfundzwanzig hiesigen Jahren als zu gefährlich gesperrt worden waren, war der Tempel des Shrike zur populärsten Touristenattraktion von Hyperion geworden. Der zentrale Tempel der Kirche des Shrike nahm drei ganze Blocks ein, stieg mit dem spitzen Turm in der Mitte zu einer Höhe von einhundertfünfzig Metern empor und war teils ehrfurchtgebietende Kathedrale, teils ein gotischer Witz mit seinen geschwungenen Säulengängen aus Stein, die fest mit dem Legierungsskelett verschweißt waren, teils Escher-Kunstdruck mit
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