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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sie ihn mit einer Bronzekugel berührte, und mit einem stumpfen, blauen Toroid. Sein veränderter Körper sprach nun so deutlich zu ihm wie Soldaten, die über einen implantierten Kommandofunkkreis Meldung machten. Kassad spürte, wie sich der Blutrausch mit unwiderstehlicher Kraft in ihm aufbaute.
    »Komm!« Moneta führte ihn wieder in die Wüste. Das Sonnenlicht wirkte polarisiert und grell. Kassad spürte, daß sie über die Dünen glitten, daß sie wie Flüssigkeit durch die weißen Marmorstraßen der toten Stadt flössen. Am westlichen Stadtrand, bei den zerfallenen Ruinen eines Bauwerks, über dessen Tür man noch die gemeißelte Inschrift ›Dichter-Amphitheater‹ lesen konnte, wartete etwas.
    Einen Augenblick lang dachte Kassad, es wäre eine weitere Person, welche die Chromkraftfelder trug, in die er und Moneta gehüllt waren – aber nur für einen Augenblick. Dieses spezielle Quecksilber-auf-Chrom-Konstrukt hatte nichts Menschliches an sich. Kassad betrachtete wie in einem Traum die vier Arme, ausfahrbare Fingerklingen, vorstehende Stacheln an Hals, Stirn, Handgelenken, Knien und am Körper, aber er nahm den Blick nicht einmal von den beiden tausendfacettigen Augen, in denen rote Flammen brannten, vor denen das Sonnenlicht verblaßte und der Tag sich zu blutigen Schatten verdunkelte.
    Das Shrike, dachte Kassad.
    »Der Herr der Schmerzen«, flüsterte Moneta.
    Das Ding drehte sich um und führte sie aus der toten Stadt hinaus.
     
    Kassad beeindruckte, wie die Ousters ihre Verteidigung organisiert hatten. Die beiden Landungsboote standen keinen halben Kilometer voneinander entfernt, ihre Kanonen, Projektoren und Geschütztürme gaben sich gegenseitig Deckung und deckten volle dreihundertsechzig Grad mit ihrem Feuer ab. Bodentruppen der Ousters waren emsig damit beschäftigt gewesen, Schützengräben in hundert Meter Entfernung von den Booten auszuheben, und Kassad konnte mindestens zwei EM-Panzer mit herabgelassenen Schirmen sehen, deren Projektionseinrichtungen und Abschußrohre das breite, verlassene Moor zwischen der Stadt der Dichter und den Booten überwachten. Kassads Sehvermögen war verändert worden; er konnte die überlappenden Sperrfelder der Schiffe als Streifen gelben Dunstes erkennen, die Bewegungssensoren und Tretminen als Eier pulsierenden Rotlichts.
    Er blinzelte, als er merkte, daß etwas mit dem Bild nicht stimmte. Dann fiel es ihm auf: abgesehen vom grellen Licht und seiner verbesserten Wahrnehmung von Energiefeldern, bewegte sich nichts. Die Oustersoldaten, selbst die in Bewegungsposen befindlichen, waren so starr wie die Spielzeugsoldaten, mit denen er als Junge in den Elendsvierteln von Tharsis gespielt hatte. Die EM-Panzer waren mit herabgelassenen Schirmen in ihren Stellungen eingegraben, aber Kassad bemerkte jetzt, daß ihre Radars – die er als konzentrische purpurne Bögen sehen konnte – völlig reglos waren. Er sah zum Himmel und erblickte einen großen Vogel, der so reglos wie ein in Bernstein eingebettetes Insekt am Himmel hing. Er kam an einer Wolke vom Wind aufgewirbelten Staubs vorbei, streckte eine Chromhand aus und schnippte Staubkörnchen zu Boden.
    Vor ihnen schlenderte das Shrike beiläufig durch das rote Labyrinth der Sensorminen, stieg über die blauen Linien von Stolperstrahlen, duckte sich unter dem violetten Pulsieren der Sperrfeuerscanner hindurch, passierte das gelbe Sperrfeld und die grüne Mauer der Ultraschallabwehrgrenze und trat in den Schatten des kleinen Landungsboots. Moneta und Kassad folgten ihm.
    – Er beherrscht die Zeit.
    – Der Herr der Schmerzen?
    – Gewiß.
    – Warum sind wir hier?
    Moneta deutete auf die reglosen Ousters. – Sie sind unsere Feinde.
    Kassad war zumute, als würde er endlich aus einem langen Traum erwachen. Dies war real. Die Augen des Oustersoldaten, die hinter dem Helm nicht blinzelten, waren real. Das Angriffsboot der Ousters, das wie ein Bronzegrabstein rechts von ihm aufragte, war real.
    Fedmahn Kassad wurde klar, daß er sie alle töten konnte – Soldaten, die Besatzung der Landungsboote, alle –, und sie konnten nichts dagegen tun. Er wußte, die Zeit war nicht stehengeblieben – ebenso wenig wie sie beim Hawking-Antrieb stehenblieb –, es war lediglich eine Frage relativer Geschwindigkeiten. Der über ihnen erstarrte Vogel würde seinen Flügelschlag beenden, wenn man ihm genügend Minuten oder Sekunden Zeit ließ. Der Ouster vor ihm würde irgendwann die Augen langsam zu einem Blinzeln schließen, wenn

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