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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hinweg. »Wir versuchen, sie davon zu befreien.«
    In der feuchten Dunkelheit des Tunnels spürte der Konsul zum ersten Mal in seinem Leben einen Anfall von Klaustrophobie. Das Atmen fiel ihm schwer. Er war überzeugt, daß sich etwas hinter ihm in dem Korridor aufhielt und ihm Luftversorgung und Fluchtweg gleichermaßen abschnitt. In dem engen Steinflur war das Pochen seines Herzschlags fast hörbar.
    Er holte langsam Luft, wischte sich noch einmal das Gesicht ab und drängte die Panik zurück. »Das könnte ihr Tod sein«, sagte er zwischen flachen Atemzügen.
    Keine Antwort. Der Konsul rief noch einmal, aber etwas hatte die ohnehin schon schwache Verbindung unterbrochen.
    »Ich komme raus«, sagte er in das stumme Instrument, drehte sich um und ließ den Lichtstrahl durch den niederen Tunnel kreisen. Hatte das Kabeltentakel gezuckt, oder war das nur eine optische Täuschung?
    Der Konsul kroch den Weg zurück, den er gekommen war.
     
    Sie hatten Het Masteen bei Sonnenuntergang gefunden, Minuten bevor der Zeitsturm losgebrochen war. Der Tempelritter hatte getaumelt, als der Konsul, Sol und Duré ihn zum ersten Mal gesehen hatten, und als sie seine gestürzte Gestalt erreicht hatten, war Masteen bewußtlos gewesen.
    »Tragen wir ihn zur Sphinx«, sagte Sol.
    In diesem Augenblick strömten die Gezeiten der Zeit, als hätte die untergehende Sonne die Choreographie übernommen, über sie hinweg wie eine Flutwelle von Übelkeit und déjà vu. Alle drei Männer fielen auf die Knie. Rachel wachte auf und schrie mit der Heftigkeit eines verängstigten Neugeborenen.
    »Zum Eingang des Tals«, keuchte der Konsul, der mit Het Masteen über der Schulter aufstand. »Müssen raus ... aus ... dem Tal.«
    Die drei Männer gingen zum Zugang des Tals, am ersten Grab vorbei, der Sphinx, aber die Gezeiten der Zeit wurden noch schlimmer und wehten wie ein schrecklicher Wind des Schwindelgefühls gegen sie. Dreißig Meter weiter, und sie konnten nicht mehr klettern. Sie fielen auf Hände und Knie, Het Masteen rollte über den festgetretenen Pfad. Rachel hatte zu schreien aufgehört, wand sich aber vor Unbehagen.
    »Zurück!« keuchte Paul Duré. »Zurück ins Tal. Hinten ... war es besser.«
    Sie gingen den Weg zurück, taumelten wie drei Betrunkene, und jeder trug eine Last, die so wertvoll war, daß man sie nicht fallenlassen durfte: Unterhalb der Sphinx ruhten sie einen Moment lang mit an die Felsen gelehnten Rücken aus, während die Beschaffenheit von Raum und Zeit selbst sich rings um sie herum zu wölben und zu verlagern schien. Es war, als wäre die Welt die Oberfläche einer Flagge, die jemand mit einem wütenden Ruck ausgerollt hatte. Die Wirklichkeit schien sich zu bauschen und zusammenzuziehen, weiter fort zu wehen und zurückzubranden wie eine Welle, die über ihnen zusammenschlug. Der Konsul ließ den Tempelritter an den Felsen gelehnt liegen, sank auf alle viere, keuchte und klammerte sich mit den Fingern panisch am Boden fest.
    »Der Möbiuskubus«, sagte der Tempelritter, der sich regte, die Augen aber geschlossen ließ. »Wir brauchen den Möbiuskubus.«
    »Verdammt«, brachte der Konsul heraus. Er schüttelte Het Masteen grob. »Warum brauchen wir den? Masteen, warum brauchen wir ihn?« Der Kopf des Tempelritters rollte schwach hin und her. Er war wieder bewußtlos.
    »Ich hole ihn«, sagte Duré. Der Priester sah alt und krank aus, Gesicht und Lippen waren blaß.
    Der Konsul nickte, hob Het Masteen über die Schulter, half Sol auf die Füße und stolperte das Tal entlang, während er spürte, wie die Wogen der Anti-Entropiefelder nachließen, je weiter sie sich von der Sphinx entfernten.
    Pater Duré war den Weg hochgekommen, die lange Treppe hinaufgestiegen und taumelte zum Eingang der Sphinx, wo er sich in den rauhen Steinen festhielt wie ein Seemann bei starkem Seegang an einer Rettungsleine. Die Sphinx schien sich über ihm zu neigen, zuerst dreißig Grad in die eine Richtung, dann fünfzig in die andere. Duré wußte, daß das lediglich an der Heftigkeit der Zeitgezeiten lag, die seine Sinne verwirrten, aber dennoch reichte es aus, daß er niederkniete und sich auf den Steinboden erbrach.
    Die Gezeiten hielten für einen Augenblick inne wie tosende Brandung zwischen zwei verheerenden Wellenkämmen, und Duré konnte aufstehen, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und stolperte in das dunkle Grab.
    Er hatte keine Taschenlampe mitgebracht; stolpernd tastete er sich weiter und wurde dabei von zwei

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