Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
fleischige Masse anhaftete, bei der man an organischen Ursprung denken mußte –, das von der Neuralsteckdose in ihrem Schädel über die breiten Stufen der Sphinx durch das offene Portal verlief. Die Sphinx selbst leuchtete am hellsten von allen Gräbern, aber der Eingang war sehr dunkel.
Der Konsul kam näher. »Was ist das?« Er wollte das silberne Kabel berühren, schrak aber ebenso rasch zurück wie Sol. »Mein Gott, es ist warm.«
»Als wäre es lebend«, stimmte Sol zu. Er hatte Brawnes Hände gerieben, jetzt schlug er ihr behutsam auf die Wangen und versuchte, sie zu wecken. Sie regte sich nicht. Er wirbelte herum und folgte mit dem Lichtstrahl dem Kabel, das im Eingangskorridor verschwand. »Ich glaube nicht, daß sie das da freiwillig an sich angeschlossen hat.«
»Das Shrike«, sagte der Konsul. Er beugte sich näher hin, damit er Biomonitorausdrucke über Brawnes Handgelenkkomlog abrufen konnte. »Alles ist normal, außer ihren Gehirnströmen, Sol.«
»Was sagen die?«
»Daß sie tot ist. Zumindest gehirntot. Keinerlei höhere Funktionen.«
Sol seufzte und wippte auf den Absätzen. »Wir müssen feststellen, wohin dieses Kabel verläuft.«
»Können wir es nicht einfach aus der Neuralsteckdose herausziehen?«
»Sehen Sie«, sagte Sol und hielt das Licht auf Brawnes Hinterkopf, während er gleichzeitig eine Masse dunkler Locken hochhielt. Die Neuralsteckdose, normalerweise eine wenige Millimeter durchmessende Plasfleischdisk mit einer Zehn-Mikrometer-Dose, schien geschmolzen zu sein ... das Fleisch bildete einen roten Wulst, der sich direkt mit den Mikroleitern des Metallkabels verband.
»Es wäre ein chirurgischer Eingriff erforderlich, um das zu entfernen«, flüsterte der Konsul. Er berührte den Fleischwulst, der wie entzündet aussah. Brawne bewegte sich nicht. Der Konsul nahm die Taschenlampe wieder an sich und stand auf. »Sie bleiben bei ihr. Ich gehe rein.«
»Benützen Sie die Komkanäle«, sagte Sol, der wußte, wie nutzlos sie beim Auf und Ab der Zeitgezeiten gewesen waren.
Der Konsul nickte und ging rasch davon, ehe er aus Angst zögern konnte.
Das Chromkabel schlängelte sich den Hauptkorridor entlang und verschwand hinter dem Zimmer, wo die Pilger in der Nacht zuvor geschlafen hatten, im Dunkeln. Der Konsul sah in das Zimmer, die Taschenlampe erhellte Decken und Rucksäcke, die sie in der Eile zurückgelassen hatten.
Er folgte dem Kabel um eine Biegung des Korridors; durch das zentrale Portal, wo sich der Korridor in drei kleinere Flure teilte; eine Rampe hinauf und gleich wieder hinunter in den schmalen Durchgang, den sie bei der ersten Erkundung ›Pharaoh Tuts Highway‹ genannt hatten; dann eine Rampe hinunter und durch einen niederen Tunnel, wo er kriechen mußte, wobei er Ellbogen und Knie sorgfältig so plazierte, daß er den warmen Metalltentakel nicht berührte; eine so steile Schräge hinauf, daß er wie durch einen Schornstein klettern mußte; einen breiteren Korridor entlang, an den er sich nicht erinnern konnte, wo die Steine sich an der Decke abwärts neigten und Feuchtigkeit tröpfelte; und dann steil nach unten, wo er sein Vorankommen nur durch Aufschürfungen an Händen und Knien bremsen konnte, bis er endlich einen Abschnitt entlangkroch, der länger zu sein schien als der gesamte Durchmesser der Sphinx. Der Konsul hatte sich vollkommen verirrt und verließ sich darauf, daß ihn das Kabel wieder hinausführen würde, wenn der Zeitpunkt gekommen war.
»Sol«, rief er schließlich, rechnete aber nicht damit, daß der Kommunikator durch Stein und Zeitgezeiten übermitteln würde.
»Hier«, antwortete die Stimme des Gelehrten leise flüsternd.
»Ich bin verflucht weit drinnen«, flüsterte der Konsul in sein Komlog. »Habe einen Korridor hinter mir, an den ich mich überhaupt nicht erinnern kann. Scheint tief zu sein.«
»Haben Sie das Ende des Kabels gefunden?«
»Ja«, entgegnete der Konsul leise und lehnte sich zurück, damit er sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht wischen konnte.
»Nexus?« fragte Sol und meinte damit eine der zahllosen Terminalanschlüsse, wo sich Bürger des Netzes in die Datensphäre einklinken konnten.
»Nein. Hier scheint das Ding direkt in den Stein des Fußbodens einzudringen. Der Korridor ist ebenfalls zu Ende. Ich habe versucht, es zu bewegen, aber die Verbindung ist ähnlich wie der Wulst an ihrem Kopf. Scheint Teil des Gesteins zu sein.«
»Kommen Sie raus«, sagte Sols Stimme über das Rauschen von Statik
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