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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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kniehoch oder noch höher. Hunt blinzelte und sah die vereinzelten Grabsteine hier und da, halb im Gras verborgen, und ganz in der Nähe, gerade hinter dem Hals des grasenden Pferdes, ein frisch ausgehobenes Grab.
    Das Shrike blieb zehn Meter zurück unter den raschelnden Zypressenzweigen, aber Hunt sah, daß der Blick seiner glühenden Augen auf die Grabstätte gerichtet war.
    Hunt ging um das Pferd herum, das zufrieden das hohe Gras mampfte, und näherte sich dem Grab. Es war kein Sarg zu sehen. Das Loch war etwa einen Meter tief, der Erdhügel daneben roch nach umgegrabenem Humus und kühler Krume. Eine Schaufel mit langem Griff steckte darin, als wären die Totengräber gerade weggegangen. Ein Stein stand aufrecht am Ende des Grabes, war aber nicht beschriftet – ein Blankograbstein. Hunt sah Metall auf dem Schiefer funkeln, eilte hin und sah den ersten modernen Gegenstand, seit sie auf die Alte Erde entführt worden waren: ein kleiner Laserschreiber lag dort – die Art, wie Bauarbeiter oder Künstler ihn benutzen, um auf härteste Legierungen zu zeichnen.
    Hunt drehte sich um, hielt den Schreiber und fühlte sich jetzt bewaffnet, obschon der Gedanke lächerlich wirkte, der winzige Strahl könnte das Shrike aufhalten. Er ließ den Schreiber in die Hemdentasche fallen und macht sich an die Aufgabe, John Keats zu begraben.
    Eine Weile später stand Hunt vor dem Erdhaufen, hielt die Schaufel in der Hand, betrachtete das kleine, in Leintücher gewickelte Bündel in der Grube und versuchte, einige passende Worte zu finden. Hunt hatte zahlreiche Staatsbegräbnisse besucht, hatte sogar Gladstones Grabreden für einige geschrieben, und bisher hatte er noch nie ein Problem mit Worten gehabt. Aber jetzt fiel ihm nichts ein. Der einzige Gast war das stumme Shrike, das im Schatten der Zypressen stand, und die Schafe mit ihren Glocken, die klingelten, da sich die Tiere nervös von dem Monster entfernten und dabei dem Grab näherten wie eine Schar zaghafter Trauernder.
    Hunt überlegte sich, daß vielleicht ein paar Verse von Keats angemessen wären, aber Hunt war Politiker – kein Mann, der uralte Dichtung las oder gar auswendig lernte. Zu spät fiel ihm ein, daß er die Verse aufgeschrieben hatte, die sein Freund ihm tags zuvor diktiert hatte, aber das Notizbuch lag noch auf der Kommode in der Wohnung an der Piazza di Spagna. Es war etwas gewesen über gottgleich zu werden oder ein Gott, das Wissen um zu viele Dinge, das einen bestürmte – irgend so ein Unsinn. Hunt verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis, aber er konnte sich nicht einmal an die erste Zeile dieses archaischen Mischmaschs erinnern.
    Letzten Endes begnügte sich Hunt als Kompromiß mit einer Schweigeminute, senkte den Kopf und machte die Augen zu, abgesehen von gelegentlichen verstohlenen Blicken zum Shrike, das seine Distanz hielt, und dann schaufelte er Erde auf den Leichnam. Es dauerte länger, als er gedacht hatte. Als er fertig war und die Erde festklopfte, war die Oberfläche leicht konkav, als wäre der Tote zu unbedeutend für einen angemessenen Erdhügel gewesen. Schafe strichen an Hunts Beinen entlang, um im hohen Gras zu weiden und die Gänseblümchen und Stiefmütterchen zu fressen, die um das Grab herum wuchsen.
    Hunt konnte sich nicht an die Dichtung erinnern, aber er hatte keine Mühe, sich die Inschrift zu vergegenwärtigen, die Keats sich für seinen Grabstein gewünscht hatte. Hunt schaltete den Laserschreiber ein, probierte ihn aus, indem er eine Schneise in drei Meter Gras und Erdboden fräste, und dann mußte er das kleine Feuer austreten, das er entfacht hatte. Die Inschrift hatte Hunt beunruhigt, als er sie zum ersten Mal gehört hatte – die Einsamkeit und Verbitterung, die aus Keats' keuchenden Anstrengungen zu sprechen herauszuhören gewesen waren. Aber Hunt war nicht der Meinung, daß es ihm zustand, dem Mann zu widersprechen. Jetzt mußte er nur noch die Inschrift auf dem Stein anbringen, diesen Ort verlassen und dem Shrike aus dem Weg gehen, während er versuchte, einen Weg nach Hause zu finden.
    Der Schreiber schnitt mühelos in den Stein, aber Hunt mußte auf der Rückseite probieren, bis er die richtige Tiefe und Handhabung herausgefunden hatte. Dennoch sahen seine Bemühungen krakelig und dilettantisch aus, als er fünfzehn oder zwanzig Minuten später fertig war.
    Zuerst die vage Skizze, um die Keats gebeten hatte – er hatte dem Attaché mehrere grobe Entwürfe gezeigt, die er mit unsicherer Hand auf

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