Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
wurde klar, daß sich eine junge Studentin leicht in ihn verlieben konnte.
»Mein Name ist Joseph Severn«, sagte ich. »Sie kennen mich nicht, aber ich kannte eine Freundin von Ihnen ... Rachel Weintraub.«
Arundez war in Nullkommanichts aufgesprungen, entschuldigte sich bei den anderen und führte mich am Ellbogen, bis wir eine freie Nische in einem Erker mit Blick auf rotgedeckte Ziegeldächer gefunden hatten. Da ließ er meinen Ellbogen los, studierte mich gründlich von oben bis unten und bemerkte die Netzkleidung. Er drehte meine Handgelenke herum und suchte nach den verräterischen Blautönen von Poulsen-Behandlungen. »Sie sind zu jung«, sagte er. »Es sei denn, Sie haben Rachel als Kind gekannt.«
»Eigentlich kenne ich ihren Vater besser«, sagte ich.
Dr. Arundez atmete aus und nickte. »Gewiß«, sagte er. »Wo steckt Sol? Ich habe monatelang versucht, ihn über das Konsulat aufzuspüren. Die Behörden auf Hebron haben mir nur mitgeteilt, daß er verzogen ist.« Er maß mich wieder mit diesem abschätzenden Blick. »Sie wußten von Rachels ... Krankheit?«
»Ja«, sagte ich. Merlins Krankheit, die bewirkte, daß sie rückwärts gealtert war und mit jedem verrinnenden Tag, jeder verrinnenden Stunde Erinnerungen verlor; Melio Arundez war eine dieser Erinnerungen gewesen. »Ich weiß, daß Sie sie vor rund fünfzehn Standardjahren auf Barnards Welt besucht haben.«
Arundez verzog das Gesicht. »Das war ein Fehler«, sagte er. »Ich habe mir gedacht, ich würde mit Sol und Sarai sprechen. Als ich sie gesehen habe ...« Er schüttelte den Kopf. »Wer sind Sie? Wissen Sie, wo Sol und Rachel jetzt sind? Es sind noch drei Tage bis zu ihrem Geburtstag.«
Ich nickte. »Ihrem nullten und letzten Geburtstag.« Ich sah mich um. Der Flur war stumm und verlassen, abgesehen von fernem Murmeln und Lachen in einer tieferen Etage. »Ich bin im Auftrag der Präsidentin hier, um mir ein Bild zu machen«, sagte ich. »Ich besitze Informationen, wonach Sol Weintraub und seine Tochter zu den Zeitgräbern gereist sind.«
Arundez sah mich an, als hätte ich ihn in den Solarplexus geschlagen. »Hier? Auf Hyperion?« Er sah für einen Moment über die Dächer hinaus. »Ich hätte wissen müssen ... obwohl Sol sich stets geweigert hat, hierher zu kommen ... aber nachdem Sarai nicht mehr ist ...« Er sah mich an. »Haben Sie Verbindung mit ihm? Ist sie ... geht es ihr gut?«
Ich schüttelte den Kopf. »Derzeit gibt es keine Funk- oder Datensphärenverbindung zu ihnen«, sagte ich. »Ich weiß, daß sie die Reise wohlbehalten überstanden haben. Die Frage ist, was wissen Sie? Ihr Team? Daten über das, was sich bei den Zeitgräbern abspielt, könnten sehr wichtig für ihr Überleben sein.«
Melio Arundez strich mit den Fingern durchs Haar. »Wenn sie uns nur dorthin gelassen hätten! Diese verdammte, dumme, bürokratische Kurzsichtigkeit ... Sie sagen, Sie kommen von Gladstone. Können Sie ihr nicht erklären, warum es so wichtig ist, daß wir dorthin dürfen?«
»Ich bin nur ein Bote«, sagte ich. »Aber sagen Sie mir, warum es so wichtig ist, dann will ich versuchen, die Nachricht an jemanden weiterzugeben.«
Arundez' große Hände schienen etwas in der Luft zu umklammern. Seine Nervosität und Wut waren greifbar. »Drei Jahre lang kamen die Daten via Telemetrie in den Übertragungen, die das Konsulat einmal wöchentlich mit ihrem kostbaren Fatlinesender duldete. Diese zeigten eine langsame, aber konstante Abschwächung der Anti-Entropieumhüllung – der Zeit-Gezeiten – in und um die Zeitgräber. Es war sprunghaft, unlogisch, aber konstant. Unser Team bekam die Erlaubnis, hierher zu reisen, als die Abschwächung gerade angefangen hatte ... Wir trafen vor rund sechs Monaten ein und sahen, daß die Daten zeigten, die Zeitgräber standen kurz vor dem Öffnen ... sie kamen in Phase mit dem Jetzt ... aber vier Tage nach unserer Ankunft stellten die Instrumente ihre Sendungen ein. Alle. Wir haben diesen Dreckskerl Lane angefleht, daß er uns hinreisen und sie neu kalibrieren läßt; daß wir zumindest neue Sensoren aufstellen durften, wenn er uns schon nicht persönlich untersuchen lassen wollte.
Nichts. Keine Reisegenehmigung. Keine Kommunikation mit der Universität ... nicht einmal mit den eintreffenden FORCE-Schiffen, was es leichter gemacht hätte. Wir haben versucht, auf eigene Faust flußaufwärts zu reisen, ohne Erlaubnis, aber Lanes Marines haben uns an den Schleusen von Karla abgefangen und in Handschellen
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