Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Flammen, Sand, geschmolzener Kristall und brennender Stein.
Als er fünfzig Meter vom Monolithen entfernt ist, erstrahlen rechts und links von ihm Lanzen aus Licht und verwandeln mit ihrer Berührung Sand in flüssiges Glas; sie rasen mit einer Geschwindigkeit auf ihn zu, der nichts und niemand ausweichen kann. Killerlaser hören auf zu spielen und zielen auf ihn – mit der Hitze von Sternen auf Kopf, Herz und Lenden. Sein Kampfpanzer wird grell wie ein Spiegel und wechselt binnen Mikrosekunden die Frequenzen, um sich dem wechselnden Farbenspiel des Angriffs anzupassen. Eine Aura überhitzter Luft umgibt ihn, Mikroschaltkreise brennen durch, als sie die Hitze ableiten und ein mikrometerdünnes Kraftfeld bilden, um diese von Fleisch und Knochen fernzuhalten.
Kassad schleppt sich die letzten zwanzig Meter weiter und überwindet mittels Energieunterstützung Barrieren aus gesplittertem Kristall. Auf allen Seiten donnern Explosionen, werfen ihn um und reißen ihn wieder hoch. Der Anzug ist vollkommen starr; Kassad ist eine Puppe, die zwischen Flammenhänden hin und her geworfen wird.
Das Bombardement hört auf. Kassad erhebt sich auf die Knie, dann auf die Füße. Er blickt an der Fassade des Kristallmonolithen hinauf und sieht Flammen und Risse, aber sonst wenig. Sein Visier ist gesprungen und tot.
Kassad klappt es hoch, atmet Rauch und ionisierte Luft ein und betritt das Grab.
Seine Implantate verraten ihm, daß die anderen Pilger auf sämtlichen Komkanälen mit ihm Verbindung aufnehmen wollen. Er schaltet sie ab. Kassad nimmt den Helm ab und taumelt in die Dunkelheit.
Es handelt sich um einen einzigen Raum, groß und quadratisch und dunkel. In der Mitte hat sich ein Schacht aufgetan, und Kassad sieht hundert Meter hoch zu einem zerschmetterten Oberlicht. Auf der zehnten Etage, sechzig Meter hoch, wartet eine Gestalt, deren Silhouette sich vor den Flammen abhebt.
Kassad hängt die Waffe über eine Schulter, klemmt den Helm unter den Arm, geht zur großen Wendeltreppe mitten in dem Schacht und beginnt den Aufstieg.
14
»Haben Sie Ihr Schläfchen gehalten?« fragte Leigh Hunt, als wir die Farcasterrezeption des Treetops betraten.
»Ja.«
»Angenehme Träume, hoffe ich?« sagte Hunt und gab sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verbergen oder mit der Meinung hinter dem Berg zu halten, was er von Leuten hielt, die schliefen, während die Macher und Kämpfer der Politik geschäftig waren.
»Nicht besonders«, sagte ich und blickte mich um, als wir die breite Treppe in den Restaurantbereich hinaufgingen.
Im Netz, wo jede Stadt in der Provinz in jedem Land auf jedem Kontinent sich eines Vier-Sterne-Restaurants rühmen konnte und die wahren Feinschmecker nach Millionen zählten, deren Gaumen mit exotischen Genüssen von zweihundert Welten verwöhnt wurden, war das Treetops einmalig.
Es lag auf einem Dutzend der höchsten Bäume auf einer Welt gigantischer Wälder und beanspruchte mehrere Ar der oberen Äste eine halbe Meile über dem Boden. Die Treppe, die Hunt und ich hinaufgingen, an dieser Stelle vier Meter breit, wirkte verloren zwischen den gewaltigen Ästen, die so breit wie Autobahnen waren, und Blättern so groß wie Segel, sowie einem Stamm – von Scheinwerfern angestrahlt und durch Lücken im Laub eben noch zu erspähen –, der massiver und wuchtiger war als mancher Berg. Treetops nannte eine Reihe Speiseplattformen in den höchsten Wipfeln sein eigen, die je nach Rang und Privilegiertheit und Wohlstand und Macht anstiegen. Besonders Macht. In einer Gesellschaft, in der Milliarden mit tausend Kredits im Monat auskommen mußten, war ein Essen im Treetops, das in die Millionen gehen konnte, der Ausdruck für das höchste Maß an Position und Status: Macht – eine Währung, die nie aus der Mode kam. Die abendliche Versammlung sollte auf der obersten Plattform stattfinden, einer breiten, runden Platte aus Wehrholz (da man auf Muirholz nicht laufen kann) mit Blick auf einen blassen gelben Himmel, eine Unendlichkeit kleinerer Bäume, die sich bis zum fernen Horizont erstreckte, und die sanften, orangefarbenen Lichter von Tempelritterhäusern und Kathedralen der Andacht, die weit entfernt durch grünes und ockergelbes und bernsteinfarbenes Laub leuchteten. Es waren rund sechzig Leute zu der Dinnerparty geladen; ich erkannte Senator Kolchev, dessen weißes Haar unter den Papierlampions leuchtete, ebenso Ratgeber Albedo, General Morpurgo, Admiral Singh, Kanzler Pro Tem Denzell-Hiat-Amin, Sprecher des
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