Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
sich nicht um.
Lamia sah das Tal entlang zum Kristallmonolithen. Die einst glänzende Oberfläche war durchlöchert und zerschmettert, die oberen zwanzig oder dreißig Meter schienen ganz zu fehlen, das Geröll um die Fundamente rauchte noch. Der halbe Kilometer Boden zwischen Sphinx und Monolith war verbrannt und narbig. »Sieht so aus, als wäre er nicht kampflos abgetreten«, sagte sie.
Der Konsul nickte zustimmend. Der Pfeifenrauch machte Lamia hungrig. »Ich habe bis zum Palast des Shrike zwei Klicks taleinwärts gesucht«, sagte der Konsul. »Brennpunkt des Kampfes scheint der Monolith gewesen zu sein. Es sind immer noch keine Spuren einer Öffnung in Bodennähe an dem Ding zu sehen, aber weiter oben sind jetzt so viele Löcher, daß man das kammförmige Muster erkennen kann, welches das Tiefenradar immer gezeigt hat.«
»Aber keine Spur von Kassad?«
»Keine.«
»Blut? Verbrannte Knochen? Ein Zettel, daß er wiederkommen wird, wenn er die Wäsche abgegeben hat?«
»Nichts.«
Brawne Lamia seufzte und setzte sich auf einen Stein neben dem Felsen des Konsuls. Die Sonne schien ihr warm auf die Haut. Sie blinzelte zur Öffnung zum Tal. »Na ja, verdammt«, sagte sie, »was sollen wir als nächstes machen?«
Der Konsul nahm die Pfeife aus dem Mund, betrachtete sie stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf. »Ich habe es heute morgen wieder mit dem Komlogrelais versucht, aber das Schiff wird immer noch festgehalten.« Er schüttelte die Asche heraus. »Ich habe auch die Notfallfrequenzen versucht, aber wir kommen eindeutig nicht durch. Entweder übermittelt das Schiff nicht, oder die Leute haben Befehl, nicht zu antworten.«
»Würden Sie wirklich fliehen?«
Der Konsul zuckte die Achseln. Er hatte die Diplomatenuniform vom Vortag abgelegt und einen groben Wollpullover, graue Cordhosen und hohe Stiefel angezogen. »Wenn wir das Schiff hier hätten, würde das uns – Ihnen – die Möglichkeit zur Flucht geben. Ich wünschte, die anderen würden es sich überlegen. Schließlich wird Masteen vermißt, Hoyt und Kassad sind tot ... ich weiß nicht, was ich als nächstes tun soll.«
Eine tiefe Stimme sagte: »Wir sollten versuchen, Frühstück zu machen.«
Lamia drehte sich um und sah Sol den Pfad entlangkommen. Rachel hatte er in einer Trage auf der Brust. Sonnenlicht spiegelte sich auf dem kahlen Kopf des alten Mannes. »Keine schlechte Idee«, sagte sie. »Haben wir noch ausreichend Proviant?«
»Zum Frühstück reicht es«, sagte Weintraub. »Dann noch ein paar Rationen und Tiefkühlpacks aus dem Vorrat des Oberst. Und dann müssen wir Tausendfüßler und uns selbst essen.«
Der Konsul versuchte zu lächeln und steckte die Pfeife wieder in die Tasche. »Ich schlage vor, ehe es soweit kommt, marschieren wir zurück zum Keep Chronos. Wir haben zwar das gefriergetrocknete Essen von der Benares genommen, aber im Keep muß es Vorratskammern geben.«
»Ich würde mit Vergnügen ...«, begann Lamia, wurde aber von einem Schrei aus dem Innern der Sphinx unterbrochen.
Sie erreichte die Sphinx als erste und hielt die automatische Pistole in der Hand, ehe sie durch den Eingang trat. Der Korridor war dunkel, der Schlafraum noch dunkler, und sie brauchte einen Augenblick, bis sie merkte, daß niemand da war. Brawne Lamia duckte sich und richtete die Pistole zur dunklen Biegung des Korridors, als die Stimme von Silenus wieder brüllte: »He! Kommt hierher!«
Sie blickte über die Schulter, als der Konsul zum Eingang hereinkam.
»Warten Sie!« rief Lamia und ging rasch den Korridor entlang, drückte sich an die Wand, hielt die Pistole schußbereit, entsichert, Hahn gespannt. Sie blieb vor dem offenen Tor zu dem kleinen Raum stehen, wo Hoyts Leichnam lag, duckte sich und sprang mit vorgestreckter Waffe hinein.
Martin Silenus, der neben dem Leichnam kauerte, blickte auf. Das Fiberplastiktuch, mit dem sie den Leichnam des Priesters bedeckt hatten, lag zerknüllt und verzogen in Silenus' Hand. Er starrte Lamia an, betrachtete die Waffe ohne Interesse und sah wieder zu dem Leichnam. »Kann man das glauben?« sagte er leise.
Lamia ließ die Waffe sinken und kam näher. Hinter ihnen sah der Konsul herein. Brawne konnte Sol Weintraub im Korridor hören; das Baby weinte.
»Mein Gott«, sagte Brawne Lamia und kauerte sich ebenfalls neben dem Leichnam von Pater Lenar Hoyt nieder. Die schmerzverzerrten Züge des jungen Priesters waren neu modelliert und in das Gesicht eines Mannes Ende Sechzig verwandelt worden: hohe Stirn,
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