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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Baustoffe nicht möglich gewesen. Lediglich die Analyse der Gräber in Relation zur Erosion des Tals und anderer umliegender geologischer Gegebenheiten hatten auf ein Alter von mindestens einer halben Million Jahren hingedeutet. Der Eindruck blieb, dass die Architekten der Zeitgräber humanoid gewesen waren, auch wenn lediglich der Maßstab der Gebilde darauf hindeutete. Die Passagen in der Sphinx selbst enthüllten wenig: Manche waren in ihren Abmessungen durchaus für Menschen geeignet, aber wenige Meter weiter konnte derselbe Tunnel schon zur Größe eines Kanalisationsrohrs schrumpfen und sich dann wieder zu etwas Größerem und Willkürlicherem als eine natürliche Höhle ausdehnen. Türen, wenn man sie angesichts der Tatsache, dass sie nirgendwo hinführten, überhaupt als solche bezeichnen konnte, konnten dreieckig oder rautenförmig oder zehnseitig ebenso wie schlicht rechteckig sein.
    Rachel kroch die letzten zwanzig Meter einen Steilhang hinunter
und ließ den Rucksack vor sich her rutschen. Die kalten Glühkugeln verliehen dem Fels und ihrer Haut einen blauen, blutleeren Schimmer. Als sie schließlich den »Keller« erreichte, fand sie einen Haufen menschlicher Gebrauchsgüter und Gerüche vor. Mehrere Klappstühle beanspruchten die Mitte des kleinen Raums, während Detektoren, Oszilloskope und anderes Zubehör sich auf dem schmalen Tisch an der Nordseite drängten. Auf einer Diele auf Sägeböcken an der gegen überliegenden Wand standen Kaffeetassen, ein Schachbrett, ein halb aufgegessener Krapfen, zwei Taschenbücher und ein Plastikspielzeug: eine Art Hund mit Baströckchen.
    Rachel machte es sich gemütlich, stellte die Thermoskanne mit Kaffee neben das Spielzeug und überprüfte die Detektoren kosmischer Strahlung. Die Daten schienen dieselben zu sein: keine versteckten Zimmer oder Durchgänge, nur ein paar Nischen, die dem Tiefenradar entgangen waren. Morgen früh würden Melio und Stefan eine Tiefensonde einsetzen, Aufzeichnungsbatterien hereinbringen und Atmosphärenproben entnehmen, bevor sie mit einem Mikrogreifer weitergruben. Bislang hatten sie in neun solchen Nischen nichts Interessantes gefunden. Im Lager machte der Witz die Runde, dass man im nächsten Loch, das nicht größer als eine Faust war, Miniatursarkophage, winzige Urnen, eine kleine Mumie oder, wie Melio sich ausdrückte, »einen klitzekleinen niedlichen Tutenchamun« finden würde.
    Aus Gewohnheit probierte Rachel die Komrelais ihres Komlogs. Nichts. Vierzig Meter Stein bewirkten das. Sie hatten davon gesprochen, Telefonkabel vom Keller zur Oberfläche zu legen, aber dazu hatte keine zwingende Veranlassung bestanden, und jetzt war ihre Zeit fast abgelaufen. Rachel justierte die Inputkanäle des Komlog so, dass sie die Detektordaten übertrugen, und stellte sich auf eine lange und langweilige Nacht ein.

    Es gab eine wunderbare Geschichte über einen Pharao der Alten Erde – war es Cheops? –, der eine gewaltige Pyramide in Auftrag gab, darin einwilligte, dass die Grabkammer tief unter dem Zentrum des Bauwerks liegen sollte, und dann jahrelang nachts wach lag und in klaustrophobischer Panik an die Tonnen Stein dachte, die eine Ewigkeit über ihm sein würden. Schließlich befahl der Pharao, die Grabkammer ins obere Drittel der Pyramide zu verlegen. Höchst unorthodox. Aber Rachel konnte den Standpunkt des Pharao verstehen. Sie hoffte  – wo immer er sein mochte –, dass er jetzt besser schlief.
    Rachel döste fast selbst, als – um 02:15 Uhr – ihr Komlog zirpte, die Detektoren kreischten und sie erschrocken aufsprang. Den Sensoren nach waren der Sphinx plötzlich ein Dutzend neue Kammern gewachsen, manche größer als das gesamte Gebilde. Rachel tippte auf Displays, worauf Modelle in der Luft erschienen, die sich vor ihren Augen veränderten. Korridorpläne krümmten sich in sich selbst zurück wie rotierende Möbiusstreifen. Die Außensensoren zeigten an, dass sich das gesamte Gebilde bog und wand wie Polyflex im Wind – oder wie Flügel.
    Rachel wusste, dass es sich um eine multiple Fehlfunktion handeln musste, doch noch während sie versuchte, neu zu kalibrieren, rief sie Daten und Eindrücke im Komlog ab. Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
    Sie hörte Schritte im Korridor über sich.
    Irgendwo im Irrgarten der Korridore fing der Zeitgezeitenalarm an zu heulen.
    Alle Lichter gingen aus.
    Das letzte Ereignis ergab keinen Sinn. Die Instrumentenpacks enthielten ihre eigenen Energiequellen und hätten sogar

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