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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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während eines Atomangriffs intakt bleiben müssen. Die Lampe, die sie im Keller benützten, hatte Energiezellen mit zehn Jahren Speicherkraft; die Glühkugeln in den Korridoren waren biolumineszent und brauchten keine Energie.

    Dennoch waren die Lichter aus. Rachel zog einen Taschenlampenlaser aus der Knietasche des Sprunganzugs und löste ihn aus. Nichts geschah.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben legte sich Entsetzen um Rachel Weintraub wie eine Hand um ihr Herz. Sie konnte nicht atmen. Zehn Sekunden lang zwang sie sich, vollkommen ruhig zu sein, nicht einmal zu lauschen, sondern nur zu warten, bis die Panik abgeklungen war. Als sie so weit abgeklungen war, dass Rachel wieder atmen konnte, ohne zu keuchen, tastete sie sich zu den Instrumenten und schaltete sie ein. Sie reagierten nicht. Sie hob ihr Komlog und drückte auf den Diskey. Nichts, was selbstverständlich unmöglich war, wenn man die Unverwundbarkeit und Zuverlässigkeit der Energiezellen des Dings berücksichtigte. Trotzdem – nichts.
    Jetzt konnte Rachel ihren Puls dröhnen hören. Sie kämpfte die Panik zurück und tastete sich zum einzigen Ausgang. Bei der Vorstellung, den Weg durch das Labyrinth in völliger Dunkelheit zu suchen, wollte sie schreien, aber ihr fiel keine Alternative ein.
    Halt! Durch das ganze Labyrinth der Sphinx hatten sich alte Lichter erstreckt, aber das Forschungsteam hatte Glühkugeln aufgehängt. Aufgehängt. Eine Perlonschnur verband sie alle bis zur Oberfläche hinauf.
    Prima. Rachel tastete sich zum Ausgang und spürte den kalten Stein unter den Fingern. War er vorher schon so kalt gewesen?
    Laut und deutlich war etwas Scharfes zu hören, das kratzend den Weg durch den Zugangsschacht kam.
    »Melio?«, rief Rachel in die Dunkelheit. »Tanya? Kurt?«
    Das Kratzen war sehr nahe. Rachel wich zurück und stieß in der Dunkelheit ein Instrument und einen Stuhl um. Etwas berührte ihr Haar, sie keuchte und hob die Hand.
    Die Decke war niedriger. Der solide Steinblock, fünf Meter im
Quadrat, sank tiefer, noch während sie die andere Hand hob, um ihn zu berühren. Die Öffnung zum Korridor lag in der Mitte der Wand. Rachel taumelte darauf zu und streckte die Hände vor sich aus wie eine Blinde. Sie stolperte über einen Klappstuhl, fand den Instrumententisch, folgte ihm bis zur Wand und spürte den unteren Rand des Korridorschachts verschwinden, als sich die Decke weiter senkte. Sie zog die Finger einen Sekundenbruchteil bevor sie abgequetscht wurden, zurück.
    Rachel setzte sich in der Dunkelheit. Ein Oszilloskop streifte gegen die Decke, bis der Tisch darunter splitterte und zusammenbrach. Rachel bewegte den Kopf in kurzen, verzweifelten Drehungen. Weniger als einen Meter von ihr entfernt ertönte ein metallisches Krächzen – ein Geräusch fast wie Atmen. Sie wich zurück und glitt über einen Boden, der plötzlich voll zertrümmerter Ausrüstung war. Das Atmen wurde lauter.
    Etwas Scharfes und unendlich Kaltes umklammerte ihr Handgelenk.
    Da endlich schrie Rachel.
     
    Zu der Zeit gab es auf Hyperion noch keinen Fatlinetransmitter. Und das Spinschiff HS Farraux City verfügte auch nicht über FTL-Kom-Fähigkeit. Daher erfuhren Sol und Sarai erst vom Unfall ihrer Tochter, als das Hegemoniekonsulat auf Parvati dem College per Fatline mitteilte, dass Rachel verletzt sei, ihr Zustand stabil, sie aber bewusstlos war und mit einem medizinischen Flaggschiff von Parvati zur Netzwelt Renaissance Vector gebracht werden würde. Die Reise würde etwas mehr als zehn Tage Schiffszeit mit einer Zeitschuld von fünf Monaten betragen. Diese fünf Monate waren eine Qual für Sol und seine Frau, und als das Lazarettschiff in den Farcasternexus von Renaissance einschwenkte, hatten sie sich das Schlimmste schon tausendmal vorgestellt. Es war acht Jahre her, seit sie Rachel zum letzten Mal gesehen hatten.

    Das Med-Center in Da Vinci war ein schwebender Turm, der von direkten Energiestrahlen gehalten wurde. Der Ausblick über das Como-Meer war atemberaubend, aber weder Sol noch Sarai hatten Zeit dafür, als sie auf der Suche nach ihrer Tochter von einem Stock zum nächsten hasteten. Dr. Singh und Melio Arundez empfingen sie im Chaos der Intensivstation. Man stellte sich eilig vor.
    »Rachel?«, fragte Sarai.
    »Schläft«, sagte Dr. Singh. Sie war eine große Frau, aristokratisch, aber mit gütigen Augen. »Soweit wir übersehen können, hat Rachel keine … äh … körperlichen Verletzungen. Aber sie ist jetzt seit siebzehn Standardwochen ihrer

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