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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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war der richtige Tag. Ich schob ihm die fünfzig Mark hin und zückte den nächsten Schein. »War er allein?«
    Der alte Mann leckte sich die Lippen. »Da muss ich nachdenken. Ich glaube nicht … Nein, er war da.« Er deutete auf einen Tisch im hinteren Teil. »Zwei Burschen waren bei ihm. Einer … Ja, darum weiß ich es noch.«
    »Was?«
    Der Mann rieb Daumen und Zeigefinger aneinander – eine Geste, die so alt ist wie die Habgier.
    »Erzählen Sie mir von den beiden Männern«, drängte ich.
    »Der junge Typ – Ihr Typ – war mit einem von denen hier, Sie wissen schon, diesen Naturfreaks mit Roben. Man sieht sie ständig im HTV. Sie und ihre verdammten Bäume.«
    Bäume? »Ein Tempelritter?«, sagte ich verblüfft. Was hatte ein Tempelritter in einer Bar auf Renaissance V zu suchen? Und wenn er es auf Johnny abgesehen hatte, weshalb trug er dann seine Robe? Das war so, als wäre ein Mörder im Clownskostüm losgezogen, um seine Aufgabe zu erledigen.
    »Ja. Tempelritter. Braune Robe, hat irgendwie orientalisch ausgesehen.«
    »Ein Mann?«
    »Ja, hab ich doch gesagt.«
    »Können Sie ihn näher beschreiben?«
    »Nee. Tempelritter. Großer Kerl. Konnte sein Gesicht nicht sehr gut sehen.«
    »Was ist mit dem anderen?«
    Der alte Mann zuckte mit den Achseln. Ich holte noch einen Schein heraus und legte beide neben mein Glas.
    »Sind sie zusammen reingekommen?«, drängte ich. »Alle drei?«

    »Ich weiß nicht … Ich kann mich nicht … Nein, warten Sie. Ihr Typ und der Tempelritter sind als Erste reingekommen. Ich weiß noch, ich habe die Robe gesehen, bevor der andere sich gesetzt hat.«
    »Beschreiben Sie den anderen Mann.«
    Der alte Mann winkte den Mech her und bestellte seinen dritten Drink. Ich zahlte mit meiner Karte, worauf der Robokellner auf lärmenden Ketten davonrollte.
    »Wie Sie«, sagte er. »So ähnlich wie Sie.«
    »Klein?«, sagte ich. »Kräftige Arme und Beine? Ein Lusier?«
    »Ja. Wohl schon. War noch nie da.«
    »Was noch?«
    »Kein Haar«, sagte der alte Mann. »Nur einen – wiesagtmandochgleich? – was meine Nichte getragen hat. Einen Pferdeschwanz.«
    »Einen Queue«, sagte ich.
    »Ja. Wie auch immer.« Er wollte nach den Scheinen greifen.
    »Noch ein paar Fragen. Haben sie gestritten?«
    »Nee. Glaub nicht. Haben sich ziemlich leise unterhalten. Um diese Zeit ist es hier ziemlich leer.«
    »Wann war das?«
    »Morgens. Gegen zehn Uhr.«
    Das entsprach dem Code der Kreditabrechnung.
    »Haben Sie was von der Unterhaltung verstanden?«
    »Nee.«
    »Wer hat am meisten geredet?«
    Der alte Mann trank einen Schluck und runzelte nachdenklich die Stirn. »Zuerst dieser Tempelritter. Ihr Mann schien Fragen zu beantworten. Einmal, als ich hingesehen habe, schien er überrascht zu sein.«
    »Erschrocken.«
    »Nee, nur überrascht. Als hätte der Typ in der Robe etwas gesagt, womit er nicht gerechnet hatte.«

    »Sie haben gesagt, anfangs hat fast nur der Tempelritter geredet. Und später? Mein Typ?«
    »Nee, der mit dem Pferdeschwanz. Dann sind sie gegangen.«
    »Alle drei?«
    »Nee, der Typ und der mit dem Pferdeschwanz.«
    »Der Tempelritter ist geblieben?«
    »Ja. Ich glaube. War auf dem Klo. Als ich zurückgekommen bin, war er, glaub ich, nicht mehr hier.«
    »Wohin sind die beiden anderen gegangen?«
    »Weiß ich nicht, Herrgott noch mal. Ich hab nicht weiter drauf geachtet. Ich hab was getrunken, nicht Spion gespielt!«
    Ich nickte. Der Mech kam wieder hergerollt, aber ich winkte ihn fort. Der alte Mann sah ihm mit finsterer Miene nach.
    »Sie haben also nicht gestritten, als sie weggegangen sind? Kein Anzeichen eines Zwists oder dass einer den anderen gezwungen hat zu gehen?«
    »Wer?«
    »Mein Typ und der Pferdeschwanz.«
    »Nee … Scheiße, ich weiß nicht.« Er betrachtete die Scheine in seinen fettigen Händen und den Whiskey im Display des Mechs und schien einzusehen, dass er von mir keins von beiden mehr bekommen würde. »Warum wollen Sie den ganzen Mist überhaupt wissen?«
    »Ich suche nach dem Typ«, sagte ich. Ich sah mich in der Bar um. Etwa zwanzig Kunden saßen an den Tischen. Die meisten sahen wie Stammgäste aus der Gegend aus. »Noch jemand da, der sie gesehen haben könnte? Oder können Sie sich noch an jemand erinnern, der hier gewesen ist?«
    »Nee«, sagte er dumpf. Da fiel mir auf, dass die Augen des alten Mannes die gleiche Farbe hatten wie der Whiskey, den er trank.
    Ich stand auf und legte die letzten zwanzig Mark auf den Tisch. »Danke, Freund.«

    »Gern

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