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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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geschehen, Schwester.«
    Der Mech rollte zu ihm, bevor ich bei der Tür war.
     
    Ich ging zurück Richtung Bibliothek, blieb auf der belebten Farcasterplaza stehen und dachte einen Moment lang nach. Szenario bis jetzt: Johnny hatte den Tempelritter getroffen oder war von ihm angesprochen worden – entweder direkt in der Bibliothek oder davor, als er morgens eingetroffen war. Sie gingen sich irgendwo abgeschieden unterhalten, in der Bar, und etwas, das der Tempelritter gesagt hatte, hatte Johnny überrascht. Ein Mann mit Queue – möglicherweise ein Lusier  – gesellte sich dazu und riss das Gespräch an sich. Johnny und der Queue gingen gemeinsam. Wenig später farcastete Johnny nach TC 2 und von dort mit einer anderen Person – möglicherweise Queue oder der Tempelritter – nach Madhya, wo jemand versuchte, ihn zu töten. Ihn tötete.
    Zu viele Lücken. Zu viele »Jemands«. Nicht viel vorzuweisen nach einem Tag Arbeit.
    Ich überlegte gerade, ob ich nach Lusus zurückcasten sollte, als mein Komlog auf der geheimen Frequenz zirpte, die ich Johnny gegeben hatte.
    Seine Stimme klang rauh. »M. Lamia, bitte kommen Sie rasch. Ich glaube, sie haben es gerade wieder versucht. Mich zu töten.« Die Koordinaten, die folgten, lagen im Ost-Bergson-Stock.
    Ich rannte zum Farcaster.
     
    Die Tür zu Johnnys Apartment stand einen Spalt weit offen. Auf dem Flur war niemand, und aus dem Kubus selbst war kein Laut zu hören. Was auch immer passiert war, hatte die Behörden noch nicht auf den Plan gerufen.
    Ich holte Dads automatische Pistole aus der Manteltasche, lud eine Patrone in die Kammer und schaltete mit derselben Bewegung den Laserzielstrahl ein.

    Ich ging geduckt hinein, hatte beide Arme ausgestreckt, der rote Punkt tanzte über die dunklen Wände, einen billigen Druck an der gegenüberliegenden Wand, einen dunklen Flur, der in den eigentlichen Wohnkubus führte. Die Diele war leer. Wohnzimmer und Mediennische waren verlassen.
    Johnny lag auf dem Schlafzimmerboden und hatte den Kopf ans Bett gelehnt. Das Laken war blutgetränkt. Er versuchte, sich aufzurichten, fiel wieder zurück. Die Schiebetür hinter ihm stand offen, feuchter Industriewind wehte vom offenen Platz dahinter herein.
    Ich überprüfte den Schrank, den kurzen Flur, die Kochnische, kam zurück und trat auf den Balkon. Der Ausblick in zweihundert Metern Höhe an der gekrümmten Stockwand war atemberaubend  – man konnte die ganzen zehn oder zwanzig Kilometer der Kanalebene überblicken. Das Dach des Stocks war eine dunkle Masse von Streben ein paar hundert Meter weiter oben. Tausende Lichter, Werbeholos und Neonbeleuchtung, glühten von der Ebene, und vereinigten sich in der Ferne zu einem gleißenden, pulsierenden elektrischen Schein.
    An dieser Wand des Stocks befanden sich Hunderte von ähnlichen Balkonen, alle verlassen. Der nächste war zwanzig Meter entfernt. Sie gehörten zu den Dingen, die Makler gerne als Vorzüge anpriesen – Johnny bezahlte wahrscheinlich weiß Gott wieviel extra für den Balkon –, aber sie waren durch und durch unpraktisch, weil ständig ein starker Wind zu den Ventilatoren emporwehte und Staub und Unrat und den ewigen Stock-Geruch nach Öl und Ozon mit sich brachte.
    Ich steckte die Pistole weg und ging zu Johnny zurück.
    Der Schnitt verlief vom Haaransatz bis zur Augenbraue; er war nicht tief, blutete aber stark. Als ich mit einem sterilen Trockenverband kam, den ich ihm an die Stirn drückte, richtete sich Johnny auf. »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Zwei Männer… haben im Schlafzimmer gelauert, als ich hereingekommen
bin. Sie haben die Alarmanlage der Balkontür ausgeschaltet.«
    »Sie sollten sich Ihre Sicherheitssteuer rückerstatten lassen« , sagte ich. »Was ist dann passiert?«
    »Wir haben gekämpft. Sie versuchten mich zur Tür zu zerren. Einer hatte einen Injektor, aber den konnte ich ihm aus der Hand schlagen.«
    »Warum sind sie geflohen?«
    »Ich habe den hausinternen Alarm aktiviert.«
    »Aber nicht den Sicherheitsdienst des Stocks?«
    »Nein. Ich wollte sie nicht hineinziehen.«
    »Wer hat Sie geschlagen?«
    Johnny lächelte albern. »Ich selbst. Sie haben mich losgelassen, und ich habe sie verfolgt. Ich bin gestolpert und gegen den Nachttisch gefallen.«
    »Kein besonders erfolgreiches Unternehmen auf beiden Seiten« , sagte ich. Ich schaltete eine Lampe ein und suchte den Teppichboden ab, bis ich die Injektionsampulle gefunden hatte, die unter das Bett gerollt war.
    Johnny sah sie an,

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