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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Seidenanzug mit schwarzen Litzen. Ihr Komlog glänzte am Handgelenk.
    Danach kam Oberst Kassad. Er trug vollen Gefechtsanzug, hatte die Tarneinrichtung aber noch nicht aktiviert, sodass die Oberfläche mattschwarz aussah und selbst das Licht von oben absorbierte. Kassad hatte eine standardisierte FORCE-Angriffswaffe bei sich. Sein Visier glänzte wie ein schwarzer Spiegel.
    Pater Hoyt trug sein schwarzes Cape, einen schwarzen Anzug und den Kragen eines Geistlichen. Die Balalaika hatte er im Arm wie ein Kind. Er setzte die Füße weiter vorsichtig auf, als würde ihm jeder Schritt Schmerzen bereiten.
    Der Konsul folgte ihm. Er trug seine beste Diplomatenkleidung, gestärktes weißes Hemd, offizielle schwarze Hosen, Halbjackett, Seidencape und den goldenen Dreispitz, den er am ersten Tag an Bord des Baumschiffs getragen hatte. Er musste den Hut festhalten, weil der Wind wieder aufgekommen war, ihm Sandkörner ins Gesicht schleuderte und wie eine Schlange über die Gipfel der Dünen peitschte.
    Martin Silenus folgte dichtauf in seinem windzerzausten Pelzmantel.
    Sol Weintraub machte den Schluss. Rachel lag in dem Tragegurt
unter dem Cape an der Brust ihres Vaters. Weintraub sang ihr ein leises Lied, dessen Töne im Pfeifen des Windes untergingen.
    Nach vierzigminütigem Marsch waren sie auf der Höhe der toten Stadt. Marmor und Granit funkelten im violetten Licht. Hinter ihnen leuchteten die Gipfel; das Keep unterschied sich nicht mehr von den anderen Berghängen. Die Gruppe durchquerte ein sandiges Tal, erklomm eine flache Düne, und plötzlich war der Anfang des Tals der Zeitgräber zum ersten Mal zu sehen. Der Konsul konnte die Schwingen der Sphinx und den Glanz von Jade ausmachen.
    Als es hinter ihnen donnerte und krachte, drehte sich der Konsul erschrocken und mit klopfendem Herzen um.
    »Fängt es an?«, fragte Lamia. »Die Bombardierung?«
    »Nein, sehen Sie«, sagte Kassad. Er deutete auf einen Punkt über den Berggipfeln, wo Schwärze die Sterne verdeckte. Licht explodierte an diesem falschen Horizont entlang und beleuchtete Eisfelder und Gletscher. »Nur ein Gewitter«, sagte er.
    Sie setzten ihren Weg über den karmesinroten Sand fort. Der Konsul stellte fest, dass er sich anstrengte, eine Gestalt in der Nähe der Gräber oder am Anfang des Tales zu erkennen. Er war über jeden Zweifel hinweg überzeugt, dass etwas dort auf sie wartete – dass es wartete.
    »Seht euch das an«, sagte Brawne Lamia, deren Flüstern im Wind fast nicht zu hören war.
    Die Zeitgräber leuchteten. Der Konsul hatte es erst für Reflexe von oben gehalten, aber das war es nicht. Jedes Grab leuchtete in einem anderen Farbton und jedes war jetzt ganz deutlich zu erkennen; das Leuchten wurde zusehends heller, die Gräber reichten weit in die Dunkelheit des Tals hinein. Die Luft roch nach Ozon.
    »Ist das ein bekanntes Phänomen?«, fragte Pater Hoyt mit dünner Stimme.

    Der Konsul schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie davon gehört.«
    »Es wurde auch nicht darüber berichtet, als Rachel die Gräber studiert hat«, sagte Sol Weintraub. Er begann eine leise Melodie zu summen, als sich die Gruppe wieder in Bewegung setzte.
    Am Eingang des Tals blieben sie stehen. Die sanften Dünen gingen in Felsen und pechschwarze Schatten an dem Hang über, der zu den leuchtenden Gräbern hinabführte. Niemand ging voraus. Niemand sagte etwas. Der Konsul spürte, wie das Herz in seiner Brust klopfte. Schlimmer als die Angst oder das Wissen, was sie erwartete, war die rabenschwarze Stimmung, die der Wind an ihn herangeweht zu haben schien, die ihn frösteln machte und den Wunsch weckte, schreiend zu den Bergen zurückzulaufen, von denen sie gekommen waren.
    Der Konsul wandte sich an Sol Weintraub. »Was singen Sie Rachel für ein Lied?«
    Der Gelehrte grinste schief und kratzte sich den kurzen Bart. »Es stammt aus einem uralten Flachfilm. Prä-Hegira. Ach was – Prä-Alles!«
    »Lassen Sie es uns hören«, sagte Brawne Lamia, die begriff, was der Konsul bezweckte. Ihr Gesicht war leichenblass.
    Weintraub sang es, und zuerst war seine Stimme dünn und fast brüchig. Aber die Melodie war mitreißend und seltsam faszinierend. Pater Hoyt nahm die Balalaika zur Hand und spielte zunehmend sicherer dazu.
    Brawne Lamia lachte. Martin Silenus sagte staunend: »Mein Gott, das habe ich in meiner Kindheit gesungen. Es ist steinalt.«
    »Aber wer ist der Zauberer?«, fragte Oberst Kassad, dessen durch den Helm verstärkte Stimme in diesem Zusammenhang

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