Die Hyperion-Gesänge
seltsam erheiternd wirkte.
»Und was ist Oz?«, fragte Lamia.
»Und wer ist das auf dem Weg zu diesem Zauberer?«, fragte der Konsul und spürte, wie die schwarze Panik in ihm etwas nachließ.
Sol Weintraub verstummte und versuchte, ihre Fragen zu beantworten, indem er die Handlung eines Flachfilms erzählte, der seit Jahrhunderten zu Staub zerfallen war.
»Vergessen Sie es«, sagte Brawne Lamia. »Sie können es uns später erklären. Singen Sie es einfach noch mal.«
Hinter ihnen hatte die Dunkelheit die Berge eingehüllt; das Gewitter stürmte über die Moore auf sie zu. Immer noch blutete Licht vom Himmel, aber der östliche Horizont war etwas heller als der Rest. Die tote Stadt leuchtete zu ihrer Linken wie Zähne aus Stein.
Brawne Lamia übernahm wieder die Führung. Sol Weintraub sang lauter, Rachel kicherte entzückt. Lenar Hoyt schlug das Cape zurück, damit er besser Balalaika spielen konnte. Martin Silenus warf eine leere Flasche weit in den Sand hinaus und sang mit; seine Stimme klang überraschend voll und angenehm im Wind. Fedmahn Kassad klappte das Visier hoch, schulterte das Gewehr und stimmte in den Chor ein. Der Konsul fing an zu singen, dachte über den absurden Text nach, lachte und fing noch einmal an.
Wo die Dunkelheit begann, wurde der Weg breiter. Der Konsul ging nach rechts, Kassad ebenfalls, Sol Weintraub füllte die Lücke aus, sodass die sechs nicht mehr im Gänsemarsch hintereinander, sondern nebeneinander gingen. Brawne Lamia nahm Silenus’ Hand und ergriff die von Sol Weintraub auf der anderen Seite.
Lauthals singend, ohne sich umzudrehen, gingen sie im Gleichschritt in das Tal hinab.
Der Sturz von Hyperion
»Kann Gott ein bedeutsames Spiel mit seinen eigenen Geschöpfen spielen? Kann irgendein Schöpfer, und sei es ein begrenzter, ein bedeutsames Spiel mit seinen Geschöpfen spielen?«
Norbert Wiener: God and Golem, Inc.
»Könnte es nicht höhere Wesen geben, welche auf jedwede anmutige, doch instinktive Anwandlung, die meinem Denken entspringen mag, mit Erheiterung reagieren, so wie mich selbst die Wachsamkeit eines Wiesels oder die Ängstlichkeit eines Rehs erheitern würde? Ein Faustkampf auf der Straße ist etwas Verabscheuenswürdiges, jedoch die Energien, die dabei aufgewendet werden, sind erhaben … Für ein überlegenes Wesen mögen unsere Ausführungen dieselbe Reaktion erzeugen – obschon irrig, sind sie erhaben … Eben darin existiert die Dichtung.«
John Keats in einem Brief an seinen Bruder
»Man könnte die Fantasie mit Adams Traum vergleichen – er wachte auf und stellte fest, dass er in Erfüllung gegangen war.«
John Keats in einem Brief an einen Freund
ERSTER TEIL
1
An dem Tag, als die Armada in den Krieg aufbrach, am letzten Tag des Lebens, wie wir es kannten, war ich zu einer Party eingeladen. An diesem Abend wurden überall Partys gefeiert, auf mehr als hundertfünfzig Welten im Netz, aber dies war die einzige Party, die zählte.
Ich nahm die Einladung über die Datensphäre an, vergewisserte mich, dass meine beste formelle Jacke frisch gewaschen war, nahm mir Zeit, mich zu baden und zu rasieren, kleidete mich mit minutiöser Sorgfalt an und benützte den auf einmaligen Gebrauch programmierten Diskey der Einladung, um zum angegebenen Zeitpunkt von Esperance nach Tau Ceti Center zu farcasten.
Auf dieser Hemisphäre von TC 2 war es Abend, ein düsteres, volles Licht beleuchtete die Hügel und Täler des Deer Park, die grauen Türme des Verwaltungszentrums weit im Süden, die Trauerweiden und strahlenden Feuerfarne an den Ufern des Flusses Tethys und die weißen Säulen des Regierungshauses. Tausende Gäste trafen ein, aber das Wachpersonal begrüßte jeden Einzelnen von uns, glich unsere Einladungscodes mit den DNS-Mustern ab und wies uns mit anmutigen Gesten von Armen und Händen den Weg zur Bar und dem Buffet.
»M. Joseph Severn?«, bestätigte der Wachmann höflich.
»Ja«, log ich. Das war jetzt mein Name, aber niemals meine Identität.
»Präsidentin Gladstone wünscht immer noch, Sie im Lauf
des Abends zu sprechen. Man wird Sie informieren, wenn sie Zeit für das Zusammentreffen hat.«
»Ausgezeichnet.«
»Sollten Sie etwas an Erfrischungen oder Unterhaltung begehren, das nicht angerichtet ist, sprechen Sie Ihren Wunsch lediglich laut aus, die Hausüberwachung wird versuchen, ihn zu erfüllen.«
Ich nickte, lächelte und ließ den Wachmann stehen. Ich war noch kein Dutzend Schritte geschlendert, da hatte er sich
Weitere Kostenlose Bücher