Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
den oberflächlichen Barrieren des All-Wesens vorbei, trieb unter der Dünung der Oberflächendaten dahin und folgte dem leuchtenden Strang ihrer Zugangsnabelschnur bis weit in die dunklen Tiefen des »gesicherten« Datenstroms.
    »Mein Name ist Diana Philomel«, sagte sie. »Mein Mann ist Sektortransportadministrator von Sol Draconi Septem.«
    Ich nickte und ergriff die Hand, die sie mir darbot. Sie verschwieg die Tatsache, dass ihr Mann der oberste Schläger der Gussformschrubbergewerkschaft auf Heavens Gate gewesen war, bevor er als politischer Protegé nach Sol Draconi befördert
worden war … oder dass ihr Name einmal Dinee Teats gewesen war, ehemalige Kindernutte und Freudenmädchen für Luftröhrenvertreter im Mittsumpfödland … oder dass sie zweimal wegen Flashbackmissbrauch verhaftet worden war und beim zweiten Mal einen Arzt im Rehazentrum schwer verletzt hatte … oder dass sie ihren Halbbruder mit neun Jahren vergiftet hatte, als dieser drohte, ihrem Stiefvater zu verraten, dass sie sich mit einem Schlammminenarbeiter traf, dessen Name …
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, M. Philomel«, sagte ich. Ihre Hand war warm. Sie hielt meine eine Idee zu lang fest.
    »Ist es nicht aufregend?«, hauchte sie.
    »Was?«
    Sie machte eine ausholende Geste, die alles einschloss – die Nacht, die Kugeln, die gerade aufleuchteten, die Gärten und die Menge. »Oh, die Party, der Krieg, alles «, sagte sie.
    Ich lächelte, nickte und kostete das Roastbeef. Es war blutig und wirklich gut, aber man schmeckte den leicht salzigen Beigeschmack der Klontanks von Lusus. Der Tintenfisch schien echt zu sein. Stewards waren vorbeigekommen und hatten Champagner angeboten, und ich versuchte meinen. Er war erbärmlich. Erlesene Weine, Scotch und Kaffee waren drei unwiederbringliche Güter nach dem Tod der Alten Erde gewesen. »Glauben Sie, dass der Krieg notwendig ist?«, fragte ich.
    »Gottverdammt – und wie der nötig ist!« Diana Philomel hatte den Mund aufgemacht, doch die Antwort kam von ihrem Mann. Er hatte sich von hinten genähert und setzte sich nun auf einen Stuhl in der Fauxloge, wo wir speisten. Er war ein großer Mann, mindestens vierzig Zentimeter größer als ich. Aber ich bin schließlich klein. Meine Erinnerung verrät mir, dass ich einmal ein Gedicht geschrieben habe, in dem ich mich selbst als »Mr. John Keats, eins fünfzig groß …« verspottet habe, obwohl ich eins dreiundfünfzig bin, etwas klein, als
Napoleon und Wellington noch lebten und die durchschnittliche Größe bei einem Meter sechzig lag, aber heute lächerlich klein, da Männer von Welten mit durchschnittlicher Schwerkraft eins achtzig bis zwei Meter messen. Und ich hatte weder die Muskeln noch den Körperbau, dass ich behaupten konnte, ich würde von einer Welt mit hoher Schwerkraft stammen – daher war ich für alle Welt lediglich klein. (Ich berichte die obigen Gedanken in den Einheiten, in denen ich denke. Von allen mentalen Veränderungen seit meiner Wiedergeburt im Netz ist das metrische Denken das schwerste; manchmal weigere ich mich, es auch nur zu versuchen.)
    »Warum ist der Krieg notwendig?«, fragte ich Hermund Philomel, Dianas Mann.
    »Weil sie es, verdammt noch mal, so gewollt haben «, knurrte der große Mann. Er mahlte mit den Backenzähnen und zuckte mit den Wangenmuskeln. Er hatte fast keinen Hals und einen subkutanen Bart, der sich offensichtlich Rasierklinge, Elektrorasierer und Enthaarungscreme widersetzte. Seine Hände waren fast doppelt so groß wie meine und viel, viel kräftiger.
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    »Die gottverdammten Ousters haben es, verdammt noch mal, nicht anders gewollt «, wiederholte er den Kernsatz seiner Ausführungen für mich. »Sie haben uns auf Bressia die Stirn geboten und jetzt bieten sie uns die Stirn auf … in … wie heißt es?«
    »Hyperion-System«, sagte seine Frau, die den Blick nicht von mir ließ.
    »Ja«, sagte ihr Herr und Gemahl. »Hyperion-System. Sie haben uns die Stirn geboten, und jetzt gehen wir da raus und zeigen ihnen, dass sich die Hegemonie das nicht bieten lässt. Kapiert?«
    Meine Erinnerung verriet mir, dass ich als Knabe zur John
Clarke Academy in Enfield geschickt worden war, wo es einige Schläger mit kleinem Gehirn und großen Fäusten wie den hier gegeben hatte. Nach meiner Ankunft ging ich ihnen entweder aus dem Weg oder besänftigte sie. Nach dem Tod meiner Mutter, als sich die ganze Welt verändert hatte, stellte ich ihnen manchmal mit Steinen in

Weitere Kostenlose Bücher