Die Hyperion-Gesänge
Nachthimmel. »Ja«, sagt Sol Weintraub, »lassen Sie hören.« Aufgrund einer plötzlichen Flaute des Sturms wirken die Worte sehr laut.
Sie rücken zusammen, bücken sich über das uralte Komlog und legen Pater Hoyt in der Mitte ihres Kreises ab. Während
der Minute, die sie ihn unbeaufsichtigt gelassen haben, hat sich eine kleine Düne um seinen Leichnam herum gebildet. Die Sensoren sind inzwischen alle rot, abgesehen von den Notfallmonitoren, die bernsteinfarben leuchten. Lamia führt eine neue Plasmakartusche ein und vergewissert sich, dass die Osmosemaske fest auf Hoyts Mund und Nase sitzt und reinen Sauerstoff zuführt, während sie gleichzeitig den Sand abhält. »Na gut«, sagt sie.
Der Konsul drückt den Diskey.
Bei der Nachricht handelt es sich um eine Fatlineübertragung, die das Schiff erst zehn Minuten vorher aufgezeichnet hat. Die Luft wird dunstig und zeigt Zahlenkolonnen und das Kugelbildkolloid, das charakteristisch für Komlogs ist, die aus der Zeit der Hegira datieren. Das Bild von Gladstone flimmert, ihr Gesicht wird bizarr und fast komisch verzerrt, da Millionen Sandkörnchen durch das Bild geweht werden. Trotz voller Lautstärke geht ihre Stimme fast im Sturm unter.
»Es tut mir leid«, sagt das vertraute Gesicht, »aber ich kann momentan nicht dulden, dass sich Ihr Raumschiff den Gräbern nähert. Die Versuchung zu fliehen wäre zu groß, aber die Wichtigkeit Ihrer Mission hat Vorrang vor allem anderen. Bitte verstehen Sie, dass das Schicksal von Welten in Ihren Händen liegen könnte. Seien Sie versichert, dass meine Hoffnungen und Gebete bei Ihnen sind. Gladstone, Ende.«
Das Bild schrumpft in sich zusammen und verschwindet. Der Konsul, Weintraub und Lamia sehen weiter stumm auf die Stelle, doch Martin Silenus steht auf, wirft eine Handvoll Sand auf die Stelle, wo vor Sekunden noch Gladstones Gesicht gewesen ist, und schreit: »Gottverdammte scheinheilige heuchlerische abgefickte verdreckte Politikerfotzenhure!« Er kickt Sand in die Luft. Die anderen sehen ihn an.
»Nun, das hat echt geholfen«, sagt Brawne Lamia leise.
Silenus rudert verdrossen mit den Armen und geht weg, wobei er immer noch Sand hochkickt.
»Noch etwas?«, wendet sich Weintraub an den Konsul.
»Nein.«
Brawne Lamia verschränkt die Arme und betrachtet stirnrunzelnd das Komlog. »Ich habe Ihre Erklärung vergessen, wie das Ding da funktioniert. Wie kommen Sie durch die Interferenz?«
»Richtstrahl auf einen Taschenkomsat, den ich ausgesetzt habe, als wir von der Yggdrasil heruntergekommen sind«, sagt der Konsul.
Lamia nickt. »Nachdem Sie sich zur Stelle gemeldet hatten, haben Sie einfach Nachrichten an das Schiff gesandt, und das hat Fatlineübertragungen zu Gladstone geschickt und Ihren Kontaktleuten bei den Ousters.«
»Ja.«
»Kann das Schiff nicht ohne Freigabe starten?«, fragt Weintraub. Der alte Mann hat sich gesetzt, die Knie angezogen und die Arme darumgeschlungen – eine klassische Haltung größter Müdigkeit. Seine Stimme klingt auch erschöpft. »Gladstones Befehl einfach missachten?«
»Nein«, sagt der Konsul. »Als Gladstone nein sagte, hat FORCE ein Sperrfeld Klasse drei über die Rückstoßgrube gelegt, wo wir das Schiff abgestellt haben.«
»Nehmen Sie mit ihr Verbindung auf«, sagt Brawne Lamia. »Erklären Sie ihr die Lage.«
»Das habe ich versucht.« Der Konsul legt das Komlog wieder in den Rucksack. »Keine Antwort. Außerdem habe ich in der Übertragung erwähnt, dass Hoyt schwer verletzt ist und wir medizinische Unterstützung brauchen. Ich wollte, dass die Med-Einheit des Schiffs für ihn bereit ist.«
»Verletzt«, wiederholt Martin Silenus, der zu der Stelle zurückkehrt, wo sie kauern. »Scheiße. Unser Freund Padre ist so
tot wie der Hund von Glennon-Height.« Er deutet mit dem Daumen auf den zugedeckten Leichnam; alle Anzeigenlichter sind rot.
Brawne Lamia bückt sich und berührt Hoyts Wange. Sie ist kalt. Sein Komlogbiomonitor und das Medpack fiepsen Warnungen wegen bevorstehendem Gehirntod. Die Osmosemaske pumpt weiter reines O 2 in den Körper, und die Medpackstimulatoren bearbeiten noch Herz und Lunge, aber dennoch schwillt das Fiepsen zu einem Kreischen an und wird schließlich zu einem konstanten, grässlichen Ton.
»Er hat zu viel Blut verloren«, sagt Sol Weintraub. Er berührt das Gesicht des toten Priesters mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf.
»Toll«, sagt Silenus. »Echt toll. Und laut seiner eigenen Geschichte wird Hoyt verwesen und wieder
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