Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
werden«, sagte ich. »Er wollte Freiheit für Pater Durés … Seele, DNS, was auch immer … und für sich selbst.«
    »Nicht ganz«, sagte Gladstone. »Pater Hoyt wollte sterben.«
    Ich stand auf, wobei ich fast den Stuhl umstieß, und schlenderte zu der pulsierenden Karte. »Das ist vollkommener Quatsch«, sagte ich. »Selbst wenn es so wäre, hätten die anderen die Verpflichtung gehabt, ihn zu retten – und Sie auch. Sie haben ihn sterben lassen.«

    »Ja.«
    »So wie sie die anderen sterben lassen?«
    »Nicht unbedingt«, sagte Präsidentin Meina Gladstone. »Das ist ihre Entscheidung – und die des Shrike, falls dieses Wesen wirklich existiert. Ich weiß nur, ihre Pilgerfahrt ist beim momentanen Stand der Dinge so wichtig, dass ich ihnen im Augenblick der Entscheidung kein … Fluchtmittel gestatten kann.«
    »Wessen Entscheidung? Ihre? Wie können das Leben von sechs oder sieben Menschen – und einem Baby – das Schicksal einer Gesellschaft mit hundertfünfzig Milliarden Lebewesen beeinflussen?« Ich kannte die Antwort darauf natürlich. Das Beraterkonzil der KI und die nicht ganz so vernunftbegabten Ratgeber der Hegemonie hatten die Pilger sehr gründlich ausgewählt. Aber weshalb? Unvorhersehbarkeit. Sie waren Unbekannte, die in die ganze rätselhafte Gleichung des Hyperion-Systems passten. Wusste Gladstone das – oder wusste sie nur, was Ratgeber Albedo und ihre eigenen Spione ihr erzählten? Ich kehrte seufzend zu meinem Stuhl zurück.
    »Haben Sie in Ihrem Traum das Schicksal von Oberst Kassad erfahren?«, fragte die Präsidentin.
    »Nein. Ich erwachte, bevor sie zur Sphinx aufbrachen, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen.«
    Gladstone lächelte verhalten. »Ihnen ist selbstverständlich bewusst, M. Severn, dass es für unsere Zwecke weitaus bequemer wäre, Sie unter Beruhigungsmittel zu setzen, Ihnen dieselbe Wahrheitsdroge einzugeben, die Ihre Freundin Philomel benutzt hat, und Sie mit Subvokalisierern zu verbinden, damit wir konstantere Berichte über die Geschehnisse auf Hyperion bekommen.«
    Ich erwiderte das Lächeln. »Ja«, sagte ich, »das wäre bequemer. Aber es wäre nicht so bequem für Sie, wenn ich über die Datensphäre in den Core fliehen und meinen Körper zurücklassen
würde. Und genau das werde ich tun, sollte ich wieder unter Druck gesetzt werden.«
    »Selbstverständlich«, sagte Gladstone. »Ich würde unter solchen Umständen ganz genau so handeln. Sagen Sie mir, M. Severn, wie ist es im Core? Wie ist es an jenem fernen Ort, wo Ihr Bewusstsein seinen wahren Sitz hat?«
    »Hektisch«, sagte ich. »Wollten Sie mich sonst noch wegen etwas sprechen?«
    Gladstone lächelte wieder, und ich spürte, dass dies ein aufrichtiges Lächeln war und nicht die Waffe der Politik, von der sie so ausgezeichnet Gebrauch zu machen verstand. »Ja«, sagte sie. »Ich habe noch ein Anliegen. Würden Sie gerne nach Hyperion gehen? Dem wirklichen Hyperion?«
    »Dem wirklichen Hyperion?«, wiederholte ich dümmlich. Ich spürte, wie meine Fingerspitzen und Zehen kribbelten und eine seltsame Erregung über mich kam. Mein Bewusstsein mochte in Wirklichkeit im Core wohnen, aber mein Körper und Gehirn waren allzu menschlich, allzu anfällig für Adrenalin und andere Zufallschemikalien.
    Gladstone nickte. »Millionen Menschen möchten dorthin. Auf eine neue Welt farcasten. Den Krieg aus nächster Nähe sehen.« Sie seufzte und drehte ihren Arbeitstaster. »Die Idioten.« Sie sah wieder zu mir auf, und ihre braunen Augen waren ernst. »Aber ich möchte, dass jemand dorthin reist und mir persönlich Bericht erstattet. Leigh benützt heute Vormittag eines der neuen militärischen Farcasterterminals, und ich habe gedacht, Sie könnten ihn begleiten. Es ist vielleicht keine Zeit, auf dem Planeten selbst zu landen, aber Sie wären immerhin im System.«
    Mir fielen mehrere Fragen ein, aber die erste, die mir in den Sinn kam, war mir peinlich. »Wird es gefährlich sein?«
    Weder Gladstones Ausdruck noch Tonfall veränderten sich. »Möglich. Aber Sie werden weit hinter den Linien sein, und
Leigh hat Anweisung, weder sich selbst – noch Sie – einem offensichtlichen Risiko auszusetzen.«
    Offensichtliches Risiko, dachte ich. Aber wie viele nicht ganz so offensichtliche Risiken konnte es in einem Kriegsgebiet geben  – in der Nähe einer Welt, wo ein Wesen wie das Shrike auf freiem Fuß war? »Ja«, sagte ich. »Ich gehe. Aber da wäre noch etwas …«
    »Ja?«
    »Ich muss wissen, warum Sie

Weitere Kostenlose Bücher