Die Hyperion-Gesänge
von fernem Murmeln und Lachen in einer tieferen Etage. »Ich bin im Auftrag der Präsidentin hier, um mir ein Bild zu machen«,
sagte ich. »Ich besitze Informationen, wonach Sol Weintraub und seine Tochter zu den Zeitgräbern gereist sind.«
Arundez sah mich an, als hätte ich ihn in den Solarplexus geschlagen. »Hier? Auf Hyperion?« Er blickte für einen Moment über die Dächer hinaus. »Ich hätte es wissen müssen … obwohl Sol sich stets geweigert hat hierherzukommen … aber nachdem Sarai nicht mehr ist …« Er sah mich an. »Haben Sie Verbindung mit ihm? Ist sie … Geht es ihr gut?«
Ich schüttelte den Kopf. »Derzeit gibt es keine Funk- oder Datensphärenverbindung zu ihnen«, sagte ich. »Ich weiß, dass sie die Reise wohlbehalten überstanden haben. Die Frage ist, was wissen Sie ? Ihr Team? Daten über das, was sich bei den Zeitgräbern abspielt, könnten sehr wichtig für ihr Überleben sein.«
Melio Arundez strich sich mit den Fingern durchs Haar. »Wenn sie uns nur dorthin gelassen hätten! Diese verdammte, dumme, bürokratische Kurzsichtigkeit … Sie sagen, Sie kommen von Gladstone. Können Sie ihr nicht erklären, warum es so wichtig ist, dass wir dorthin dürfen?«
»Ich bin nur ein Bote«, sagte ich. »Aber sagen Sie mir, warum es so wichtig ist, dann will ich versuchen, die Nachricht an jemanden weiterzugeben.«
Arundez’ große Hände schienen etwas in der Luft zu umklammern. Seine Nervosität und Wut waren greifbar. »Drei Jahre lang kamen die Daten via Telemetrie in den Übertragungen, die das Konsulat einmal wöchentlich mit ihrem kostbaren Fatlinesender duldete. Diese zeigten eine langsame, aber konstante Abschwächung der Anti-Entropieumhüllung – der Zeitgezeiten – in und um die Zeitgräber. Es war sprunghaft, unlogisch, aber konstant. Unser Team bekam die Erlaubnis hierherzureisen, als die Abschwächung gerade angefangen hatte … Wir trafen vor rund sechs Monaten ein und sahen, dass die Daten zeigten, die Zeitgräber standen kurz vor dem
Öffnen – sie kamen in Phase mit dem Jetzt –, aber vier Tage nach unserer Ankunft stellten die Instrumente ihre Sendungen ein. Alle. Wir haben diesen Dreckskerl Lane angefleht, dass er uns hinreisen und sie neu kalibrieren lässt, dass wir zumindest neue Sensoren aufstellen durften, wenn er uns schon nicht persönlich untersuchen lassen wollte. Nichts. Keine Reisegenehmigung. Keine Kommunikation mit der Universität – nicht einmal mit den eintreffenden FORCE-Schiffen, was es leichter gemacht hätte. Wir haben versucht, auf eigene Faust flussaufwärts zu reisen, ohne Erlaubnis, aber Lanes Marines haben uns an den Schleusen von Karla abgefangen und in Handschellen zurückgebracht. Ich habe vier Wochen im Gefängnis gesessen. Jetzt gestatten sie uns, dass wir uns in Keats frei bewegen, aber wir werden auf unbestimmte Zeit eingesperrt, sollten wir noch einmal versuchen, die Stadt zu verlassen.« Arundez beugte sich nach vorn. »Können Sie uns helfen?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich möchte den Weintraubs helfen. Vielleicht wäre es das Beste, wenn Sie Ihr Team zum Schauplatz bringen könnten. Wissen Sie, wann sich die Zeitgräber öffnen?«
Der Zeitphysiker machte eine ärgerliche Gebärde. »Wenn wir neue Daten hätten!« Er seufzte. »Nein, wir wissen es nicht. Sie könnten schon offen sein – oder es könnte ebensogut noch einmal sechs Monate dauern.«
»Wenn Sie ›offen‹ sagen«, meinte ich, »dann meinen Sie nicht offen im physikalischen Sinn, oder?«
»Selbstverständlich nicht. Die Zeitgräber sind physikalisch für Erforschungen offen, seit sie vor vier Standardjahrhunderten entdeckt wurden. Ich meine ›offen‹ in dem Sinne, dass die Vorhänge der Zeit fallen, die sie teilweise verbergen, und den gesamten Komplex phasengleich mit dem hiesigen Zeitstrom machen.«
»Mit ›hiesig‹ meinen Sie …«
»Ich meine mit diesem Universum.«
»Und Sie sind sicher, dass sich die Gräber rückwärts in der Zeit bewegen – aus unserer Zukunft?«, fragte ich.
»Rückwärts in der Zeit, ja«, antwortete Arundez. »Aus unserer Zukunft, das können wir nicht sagen. Wir sind nicht einmal sicher, was ›Zukunft‹ in zeitlich-physikalischen Begriffen bedeutet. Es könnte sich dabei um eine Reihe sinuswellenförmiger Wahrscheinlichkeiten handeln oder um ein Megaversum in Form eines Entscheidungsbaums oder sogar …«
»Was immer es ist«, sagte ich, »die Zeitgräber und das Shrike kommen von
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