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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dann, wenn er so überfüllt war wie heute.
    Leigh Hunt und ich traten ein, als Gladstone gerade mit ihrer Rede fertig war. Ich rief eine kurze Zusammenfassung über mein Komlog ab. Die Ansprache war wie ihre meisten Reden kurz, vergleichsweise einfach und ohne Übertreibungen oder Pomp gewesen, aber dennoch von originellen Ausdrücken und Phrasen durchzogen, denen große Überzeugungskraft eigen war.
    Gladstone hatte die Vorfälle und Konflikte umrissen, die zur momentanen Konfrontation mit den Ousters geführt hatten, hatte den von der Zeit geheiligten Wunsch nach Frieden ausgesprochen, der immer noch die Politik der Hegemonie beherrschte, und hatte Einigkeit im Netz und Protektorat gefordert, bis die momentane Krise beigelegt sei. Ich hörte mir ihre Zusammenfassung an.
    »… und so konnte es geschehen, Mitbürger, dass wir nach mehr als einem Jahrhundert des Friedens wieder in einen Konflikt verwickelt sind, um die Rechte zu erhalten, denen sich unsere Gesellschaft schon vor dem Tod von Mutter Erde verschrieben hatte. Nach mehr als einem Jahrhundert Frieden müssen wir nun – egal wie unwillig, egal wie missbilligend  – wieder zu Schild und Schwert greifen, die stets unser Geburtsrecht erhalten und unser aller Wohlstand gedient haben, damit wieder Friede herrschen kann. Wir dürfen – und werden – uns nicht vom Schmettern der Fanfaren oder dem Jubel der Unbesonnenheit verführen lassen, die den Ruf zu den Waffen unweigerlich begleiten. Diejenigen, welche die Lektionen der Geschichte vergessen, wenn es um die Torheit des Krieges an sich geht, werden sie nicht nur nochmals durchleben müssen, sie könnten vielleicht dadurch sterben. Große Opfer können vor uns allen liegen. Für einige von Ihnen
vielleicht große Trauer. Aber welche Erfolge oder Niederlagen wir letztendlich auch hinnehmen müssen, ich sage Ihnen jetzt und hier, dass wir vor allem diese beiden Dinge nicht vergessen dürfen: Erstens, wir kämpfen für den Frieden und wissen, dass der Krieg niemals ein Dauerzustand sein darf, sondern lediglich eine vorübergehende Geißel, die wir erdulden müssen wie ein Kind ein Fieber, mit dem Wissen, dass Gesundheit auf eine lange Nacht der Schmerzen folgt und der Frieden Gesundheit ist. Zweitens, dass wir uns niemals ergeben werden – niemals ergeben oder wanken oder uns unbesonneneren Stimmen und bequemeren Impulsen fügen werden – niemals wanken, bis der Sieg unser, die Aggression zurückgeschlagen und der Frieden wiedererlangt ist. Ich danke Ihnen.«
    Leigh Hunt beugte sich nach vorn und beobachtete gebannt, wie die meisten Senatoren aufstanden und Gladstone Beifall zollten, der von der hohen Decke widerhallte und wie Wellen über den Galerien zusammenschlug. Die meisten Senatoren. Ich bemerkte, dass Hunt diejenigen zählte, die sitzengeblieben waren – manche mit verschränkten Armen, manche mit deutlichem Stirnrunzeln. Der Krieg war noch keine zwei Tage alt, und schon bildete sich eine Opposition. Zuerst von den Kolonialwelten, die um ihre Sicherheit fürchteten, da FORCE mit Hyperion beschäftigt war, dann von Gladstones Gegenspielern, die zahlreich waren, denn niemand bleibt so lange wie sie an der Macht, ohne sich ganze Kader von Feinden zu machen, und zuletzt von Mitgliedern ihrer eigenen Koalition, die den Krieg als närrische Bedrohung für einen beispiellosen Wohlstand ansahen.
    Ich sah, wie sie das Podest verließ, dem betagten Kanzler und dem jungen Sprecher die Hände schüttelte und dann durch den Mittelgang hinausging – wobei sie vielen die Hände reichte und mit vielen redete und dabei das altbekannte
Lächeln sehen ließ. Bildgestalter des All-Wesens folgten ihr, und ich spürte förmlich, wie der Druck des Diskussionsnetzes zunahm, als Milliarden ihre Meinung über die interaktiven Ebenen der Megasphäre durchgaben.
    »Ich muss sie jetzt sprechen«, sagte Hunt. »Sie wissen, dass Sie heute Abend zu einem Staatsbankett im Treetops eingeladen sind?«
    »Ja.«
    Hunt schüttelte unmerklich den Kopf, als wäre ihm unbegreiflich, wieso mich die Präsidentin dabeihaben wollte. »Es wird sich lange hinziehen, und daran anschließend ist ein Treffen mit dem FORCE:Kommandostab anberaumt. Sie möchte, dass Sie an beidem teilnehmen.«
    »Ich bin bereit«, sagte ich.
    Hunt blieb in der Tür stehen. »Haben Sie bis zum Essen etwas im Regierungshaus zu tun?«
    Ich lächelte ihm zu. »Ich arbeite an meinen Porträtskizzen«, sagte ich. »Dann werde ich wahrscheinlich einen Spaziergang im

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