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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Niederlage zuzufügen und Hyperion vollwertig ins Netz einzugliedern.«
    »Und was wird dann aus der Bedrohung durch das Shrike?«
    »Es wird … neutralisiert werden«, sagte Hunt. Er verstummte, während eine kleine Gruppe Männer und Frauen an unserem Balkon vorbeiging.
    Ich sah auf, wollte meine Aufmerksamkeit schon wieder auf den Tisch konzentrieren, drehte den Kopf aber noch einmal ruckartig um. Die Gruppe war am Ende des Flurs verschwunden. »War das nicht Melio Arundez?«, sagte ich und unterbrach damit Generalgouverneur Lane.
    »Was? Oh, Dr. Arundez. Ja. Kennen Sie ihn, M. Severn?«
    Leigh Hunt sah mich böse an, aber ich achtete nicht darauf. »Ja«, sagte ich zu Lane, obwohl ich Arundez nie persönlich kennengelernt hatte. »Was macht er auf Hyperion?«
    »Sein Team ist vor über sechs lokalen Monaten mit einem Vorschlag für ein Projekt der Reichs-Universität auf Freeholm hier eingetroffen, weitere Forschungen an den Zeitgräbern durchzuführen.«

    »Aber die Gräber waren für Forscher und Touristen gesperrt« , sagte ich.
    »Ja. Aber ihre Instrumente – wir haben gestattet, dass wöchentlich Daten durch den Fatlinesender des Konsulats übermittelt wurden – hatten die Veränderung der Anti-Entropiefelder um die Zeitgräber herum bereits angezeigt. Die Reichs-Universität hat gewusst, dass sich die Gräber öffnen würden – wenn die Veränderungen das wirklich zu bedeuten haben –, und sie haben die besten Forscher im Netz darauf angesetzt.«
    »Aber Sie haben ihnen keine Erlaubnis erteilt?«, sagte ich.
    Theo Lane lächelte humorlos. »Präsidentin Gladstone hat keine Erlaubnis erteilt. Die Abriegelung der Zeitgräber ist ein direkter Befehl von TC 2 . Wenn es nach mir ginge, hätte ich den Pilgern den Zugang verweigert und stattdessen der Gruppe von Dr. Arundez Priorität eingeräumt.« Er wandte sich wieder zu Hunt um.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte ich und glitt aus der Nische.
     
    Ich fand Arundez und seine Leute – drei Frauen und vier Männer, deren Kleidung und Körperbau auf verschiedene Welten im Netz hindeuteten – zwei Balkone weiter. Sie waren über ihr Frühstück und die wissenschaftlichen Komlogs gebeugt und warfen sich so unverständliche Fachausdrücke an den Kopf, dass ein Talmudschüler vor Neid erblasst wäre.
    »Dr. Arundez?«, sagte ich.
    »Ja?« Er sah auf. Er war zwanzig Jahre älter, als ich ihn in Erinnerung hatte, und kam Anfang sechzig in die mittleren Jahre, aber das erstaunlich hübsche Profil war dasselbe, ebenso die bronzefarbene Haut, der markante Kiefer, das lockige, nur an den Schläfen leicht ergraute schwarze Haar und die stechenden Mandelaugen, und mir wurde klar, dass sich eine junge Studentin leicht in ihn verlieben konnte.

    »Mein Name ist Joseph Severn«, sagte ich. »Sie kennen mich nicht, aber ich kannte eine Freundin von Ihnen – Rachel Weintraub.«
    Arundez war in null Komma nichts aufgesprungen, entschuldigte sich bei den anderen und führte mich am Ellbogen, bis wir eine freie Nische in einem Erker mit Blick auf rotgedeckte Ziegeldächer gefunden hatten. Da ließ er meinen Ellbogen los, studierte mich gründlich von oben bis unten und bemerkte die Netzkleidung. Er drehte meine Handgelenke herum und suchte nach den verräterischen Blautönen von Poulsen-Behandlungen. »Sie sind zu jung«, sagte er. »Es sei denn, Sie haben Rachel als Kind gekannt.«
    »Eigentlich kenne ich ihren Vater besser«, sagte ich.
    Dr. Arundez atmete aus und nickte. »Gewiss«, sagte er. »Wo steckt Sol? Ich habe monatelang versucht, ihn über das Konsulat aufzuspüren. Die Behörden auf Hebron haben mir nur mitgeteilt, dass er verzogen ist.« Er maß mich wieder mit diesem abschätzenden Blick. »Sie wussten von Rachels … Krankheit?«
    »Ja«, sagte ich. Merlins Krankheit, die bewirkte, dass sie rückwärts gealtert war und mit jedem verrinnenden Tag, jeder verrinnenden Stunde Erinnerungen verloren hatte; Melio Arundez war eine dieser Erinnerungen gewesen. »Ich weiß, dass Sie sie vor rund fünfzehn Standardjahren auf Barnards Welt besucht haben.«
    Arundez verzog das Gesicht. »Das war ein Fehler«, sagte er. »Ich habe mir gedacht, ich würde mit Sol und Sarai sprechen. Aber als ich sie gesehen habe …« Er schüttelte den Kopf. »Wer sind Sie? Wissen Sie, wo Sol und Rachel jetzt sind? Es sind noch drei Tage bis zu ihrem Geburtstag.«
    Ich nickte. »Ihrem nullten und letzten Geburtstag.« Ich sah mich um. Der Flur war stumm und verlassen, abgesehen

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