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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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uns – Ihnen – die Möglichkeit zur Flucht geben. Ich wünschte, die anderen würden es sich überlegen. Schließlich wird Masteen vermisst, Hoyt und Kassad sind tot … Ich weiß nicht, was ich als Nächstes tun soll.«
    Eine tiefe Stimme sagte: »Wir sollten versuchen, Frühstück zu machen.«
    Lamia drehte sich um und sah Sol den Pfad entlangkommen. Rachel hatte er in einer Trage auf der Brust. Sonnenlicht spiegelte sich auf dem kahlen Kopf des alten Mannes. »Keine schlechte Idee«, sagte sie. »Haben wir noch ausreichend Proviant?«
    »Zum Frühstück reicht es«, sagte Weintraub. »Dann noch ein paar Rationen und Tiefkühlpacks aus dem Vorrat des Oberst. Und dann müssen wir Tausendfüßler und uns selbst essen.«
    Der Konsul versuchte zu lächeln und steckte die Pfeife wieder in die Tasche. »Ich schlage vor, ehe es so weit kommt, marschieren wir zurück zum Chronos Keep. Wir haben zwar das gefriergetrocknete Essen von der Benares , aber im Keep muss es Vorratskammern geben.«
    »Ich würde mit Vergnügen …«, begann Lamia, wurde aber von einem Schrei aus dem Innern der Sphinx unterbrochen.
    Sie erreichte die Sphinx als Erste und hielt die automatische Pistole in der Hand, ehe sie durch den Eingang trat. Der Korridor war dunkel, der Schlafraum noch dunkler, und sie brauchte einen Augenblick, bis sie merkte, dass niemand da war. Brawne Lamia duckte sich und richtete die Pistole zur dunklen Biegung des Korridors, als die Stimme von Silenus wieder brüllte: »He! Kommt hierher!«
    Sie blickte über die Schulter, als der Konsul zum Eingang hereinkam.
    »Warten Sie!«, rief Lamia und ging rasch den Korridor entlang, drückte sich an die Wand, hielt die Pistole schussbereit, entsichert, Hahn gespannt. Sie blieb vor dem offenen Tor zu
dem kleinen Raum stehen, wo Hoyts Leichnam lag, duckte sich und sprang mit vorgestreckter Waffe hinein.
    Martin Silenus, der neben dem Leichnam kauerte, blickte auf. Das Fiberplastiktuch, mit dem sie den Leichnam des Priesters bedeckt hatten, lag zerknüllt und verzogen in Silenus’ Hand. Er starrte Lamia an, betrachtete die Waffe ohne Interesse und sah wieder zu dem Leichnam. »Kann man das glauben?«, sagte er leise.
    Lamia ließ die Waffe sinken und kam näher. Hinter ihnen sah der Konsul herein. Brawne konnte Sol Weintraub im Korridor hören; das Baby weinte.
    »Mein Gott«, sagte Brawne Lamia und kauerte sich ebenfalls neben dem Leichnam von Pater Lenar Hoyt nieder. Die schmerzverzerrten Züge des jungen Priesters waren neu modelliert und in das Gesicht eines Mannes Ende sechzig verwandelt worden: hohe Stirn, lange, aristokratische Nase, dünne Lippen, deren Mundwinkel freundlich nach oben gekrümmt waren, vorstehende Wangenknochen, spitze Ohren unter einem grauen Haarschopf, große Augen unter Lidern, so bleich und dünn wie Pergament.
    Der Konsul kauerte sich ebenfalls dazu. »Den habe ich in Holos gesehen. Es ist Pater Paul Duré.«
    »Seht«, sagte Martin Silenus. Er rollte das Laken weiter hinunter, hielt inne und drehte den Leichnam auf die Seite. Zwei kleine Kruziformen pulsierten rosa auf der Brust dieses Mannes, genau wie bei Hoyt, aber sein Rücken war frei.
    Sol stand in der Tür und versuchte, Rachel mit beruhigenden Worten und sanftem Wiegen zum Schweigen zu bringen. Als das Baby still war, sagte er: »Ich dachte, die Bikura brauchten drei Tage, sich zu … regenerieren.«
    Martin Silenus seufzte. »Die Bikura wurden seit mehr als zwei Standardjahrhunderten von den Kruziformparasiten wiederbelebt. Vielleicht ist es beim ersten Mal leichter.«

    »Ist er …«, begann Lamia.
    »Am Leben?« Silenus ergriff ihre Hand. »Fühlen Sie.«
    Die Brust des Mannes hob und senkte sich unmerklich. Die Haut fühlte sich warm an. Die Hitze der Kruziformen unter der Haut war deutlich zu spüren. Brawne Lamia zog die Hand ruckartig zurück.
    Das Ding, das noch vor sechs Stunden der Leichnam von Pater Lenar Hoyt gewesen war, schlug die Augen auf.
    »Pater Duré?«, sagte Sol und kam nach vorn.
    Der Mann drehte den Kopf. Er blinzelte, als würde ihm das trübe Licht in den Augen wehtun, dann gab er einen unverständlichen Laut von sich.
    »Wasser«, sagte der Konsul und griff in die Innentasche nach der kleinen Plastikflasche, die er bei sich trug. Martin Silenus hielt dem Mann den Kopf hoch, während der Konsul ihm trinken half.
    Sol kam näher, ließ sich auf ein Knie nieder und berührte den Mann am Unterarm. Selbst Rachels dunkle Augen schienen neugierig. Sol sagte:

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