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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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»Wenn Sie nicht sprechen können, blinzeln Sie einmal für ›ja‹ und zweimal für ›nein‹. Sind Sie Duré?«
    Der Mann drehte den Kopf zu dem Gelehrten. »Ja«, sagte er leise mit einer tiefen, kultivierten Stimme. »Ich bin Pater Paul Duré.«
     
    Das Frühstück bestand aus dem letzten Kaffee, Fleischstückchen, die sie über der aufgeklappten Heizeinheit grillten, einer Ration Getreideflocken mit rehydrierter Milch und dem Rest ihres letzten Brotlaibs, den sie in fünf Stücke brachen. Lamia fand es köstlich.
    Sie saßen am Rand des Schattens unter dem ausgebreiteten Flügel der Sphinx und benützten einen flachen, länglichen Felsen als Tisch. Die Sonne stieg dem späten Vormittag entgegen,
der Himmel blieb wolkenlos. Es war kein Laut zu hören, abgesehen vom gelegentlichen Klirren einer Gabel oder eines Löffels und ihren gedämpften Unterhaltungen.
    »Erinnern Sie sich an … davor?«, fragte Sol.
    Der Priester trug ein Ersatzbündel Kleidung des Konsuls: einen grauen Overall mit dem Siegel der Hegemonie auf der linken Brust. Die Uniform war ihm ein wenig zu klein. Duré hielt die Kaffeetasse in beiden Händen, als wollte er sie zum Segnen hochhalten. Er blickte auf, und seine Augen drückten Intelligenz und Traurigkeit gleichermaßen aus. »Bevor ich gestorben bin?«, sagte Duré. Die Patrizierlippen skizzierten ein Lächeln. »Ja, ich erinnere mich daran. Ich erinnere mich an die Verbannung, die Bikura …« Er sah nach unten. »Sogar an den Teslabaum.«
    »Hoyt hat uns von dem Baum erzählt«, sagte Brawne Lamia. Der Priester hatte sich im Flammenwald an einen aktiven Teslabaum genagelt und jahrelang Schmerzen, Tod, Wiederauferstehung und wieder Tod erlebt, statt sich der einfachen Symbiose des Lebens mit der Kruziform zu unterwerfen.
    Duré schüttelte den Kopf. »Ich dachte … in den letzten Sekunden … dass ich ihn besiegt hätte.«
    »Hatten Sie«, sagte der Konsul. »Pater Hoyt und die anderen haben Sie gefunden. Sie haben das Ding aus Ihrem Körper vertrieben. Dann haben die Bikura Ihre Kruziform Lenar Hoyt eingepflanzt.«
    Duré nickte. »Und von dem Jungen ist keine Spur übrig?«
    Martin Silenus deutete auf die Brust des Mannes. »Offensichtlich kann das Scheißding das Gesetz von der Erhaltung der Masse nicht umgehen. Hoyts Schmerzen waren so lange so groß – er wollte nicht dahin zurück, wo das Ding ihn haben wollte –, dass er nie genügend zugenommen hat für eine … wie, zum Teufel, soll man das nennen? Zweifachwiederbelebung?«

    »Das spielt keine Rolle«, sagte Duré. Sein Lächeln war traurig. »Der DNS-Parasit in der Kruziform besitzt eine unendliche Geduld. Er wird einen Wirt über Generationen hinweg neu erschaffen, wenn es erforderlich sein sollte. Früher oder später werden beide Parasiten ein Zuhause finden.«
    »Können Sie sich an etwas nach dem Teslabaum erinnern?«, fragte Sol leise.
    Duré trank den letzten Rest Kaffee. »An den Tod? An Himmel oder Hölle? Nein, ich wünschte, ich könnte es. Ich erinnere mich an Schmerzen … eine Ewigkeit der Schmerzen … und dann Erlösung. Und dann Dunkelheit. Und dann an das Erwachen hier. Wie viele Jahre, sagten Sie, sind vergangen?«
    »Fast zwölf«, sagte der Konsul. »Aber nur halb so viel für Pater Hoyt. Er hat die Zeit im Transit verbracht.«
    Pater Duré stand auf, streckte sich und ging auf und ab. Er war ein großer Mann, mager, aber mit einer Aura der Stärke, und Brawne Lamia stellte fest, dass sie von seiner Erscheinung beeindruckt war, von diesem seltsamen, unerklärlichen Charisma seiner Persönlichkeit, das seit undenklichen Zeiten einigen wenigen Individuen Fluch und Segen war. Sie musste sich vergegenwärtigen, dass er erstens Angehöriger eines Kults war, der seinen Geistlichen den Zölibat abverlangte, und er zweitens noch vor einer Stunde ein Leichnam gewesen war. Lamia sah dem alten Mann zu, wie er mit den eleganten und entspannten Bewegungen einer Katze auf und ab ging, und sie stellte fest, dass beide Einsichten der Wahrheit entsprachen, aber keine der persönlichen Anziehung entgegenwirken konnte, die von dem Priester ausging. Sie fragte sich, ob der Mann das spürte.
    Duré setzte sich auf einen Stein, streckte die Beine aus und rieb sich die Schenkel, als wollte er einen Krampf loswerden. »Sie haben mir ansatzweise gesagt, wer Sie sind … warum Sie hier sind«, sagte er. »Können Sie mir noch mehr erzählen?«

    Die Pilger sahen einander an.
    Duré nickte. »Glauben Sie, dass ich

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