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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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und sich dann zurückzogen.
    »Ein faszinierendes altes Instrument«, sagte Oberst Kassad und strich mit einer Hand über den Steinway. »Cembalo?«
    »Piano«, sagte der Konsul. »Prä-Hegira. Sind alle da?«
    »Alle außer Hoyt«, sagte Brawne Lamia, die in der Projektionsnische Platz nahm.
    Het Masteen trat ein. »Das Schlachtschiff der Hegemonie hat Ihnen Erlaubnis erteilt, auf dem Raumhafen von Keats zu landen«, sagte der Kapitän. Er sah sich um. »Ich werde ein Mannschaftsmitglied zu M. Hoyt schicken, falls er Unterstützung braucht.«
    »Nein«, sagte der Konsul. Er modulierte seine Stimme. »Ich würde gern zu ihm gehen. Können Sie mir den Weg zu seinem Quartier beschreiben?«

    Der Kapitän des Baumschiffs sah den Konsul lange an, dann griff er in die Falten seines Gewands. »Bon voyage «, sagte er und gab ihm eine Siegelmarke. »Wir sehen uns auf dem Planeten  – kurz vor unserer mitternächtlichen Abreise vom Shrike-Tempel in Keats.«
    Der Konsul verbeugte sich. »Es war ein Vergnügen, in den schützenden Ästen des Baums zu reisen, Het Masteen«, sagte er förmlich. Dann drehte er sich mit einer Geste zu den anderen um. »Bitte machen Sie es sich im Aufenthaltsraum oder der Bibliothek ein Deck tiefer gemütlich. Das Schiff wird sich um Ihre Bedürfnisse kümmern und eventuelle Fragen beantworten. Wir brechen auf, sobald Pater Hoyt und ich zurückkehren.«
     
    Die Umweltknospe des Priesters lag auf halber Höhe des Baumschiffs weit draußen auf einem sekundären Ast. Wie der Konsul erwartet hatte, diente die Komlogsiegelmarke, die Het Masteen ihm gegeben hatte, auch als Universalschlüssel, der das Handflächenschloss außer Kraft setzte. Nachdem er mehrere Minuten vergeblich geläutet und mit der Hand gegen den Zugang geklopft hatte, benützte der Konsul die Siegelmarke und trat in die Knospe ein.
    Pater Hoyt lag auf den Knien und wand sich auf dem Grasteppich. Schlafgewand, Ausrüstung, Kleidungsstücke und der Inhalt eines Standardmedkoffers lagen um ihn herum auf dem Boden verstreut. Er hatte Bluse und Kragen abgelegt und schwitzte so sehr, dass ihm das Hemd klamm am Körper klebte. Außerdem war es an einigen Stellen zerrissen, wo er sich durch den Stoff gekrallt hatte. Hyperions Licht fiel durch die Knospenwand herein und verlieh der bizarren Szene den Anschein, als wäre sie unter Wasser inszeniert worden – oder, dachte der Konsul, in einer Kathedrale.
    Lenar Hoyts Gesicht war schmerzverzerrt, während er die
Hände in die Brust krallte. Die Muskeln seiner entblößten Arme wanden sich wie Lebewesen, die sich unter einer blassen Plane bewegen. »Der Injektor … Fehlfunktion «, keuchte Hoyt. »Bitte.«
    Der Konsul nickte, befahl der Tür, sich zu schließen, und kniete neben dem Priester nieder. Er nahm Hoyt den nutzlosen Injektor aus der geballten Faust und ließ die Ampulle herausspringen. Ultramorphin. Der Konsul nickte erneut und holte einen Injektor aus dem Medkoffer, den er von seinem Schiff mitgebracht hatte. Er brauchte keine fünf Sekunden, um das Ultramorphin aufzuziehen.
    »Bitte«, flehte Hoyt. Sein ganzer Körper zuckte. Der Konsul konnte die Wogen der Schmerzen fast sehen, die durch den Mann liefen.
    »Ja«, sagte der Konsul. Er holte keuchend Luft. »Aber zuerst den Rest der Geschichte.«
    Hoyt sah ihn an und griff schwach nach dem Injektor.
    Der Konsul, der jetzt selbst schwitzte, hielt das Instrument gerade außerhalb der Reichweite des Priesters. »Noch einen Augenblick« , sagte er. »Nach dem Rest der Geschichte. Ich muss es wissen.«
    »O Gott, lieber Heiland«, schluchzte Hoyt. »Bitte!«
    »Ja«, sagte der Konsul. »Sobald Sie mir die Wahrheit gesagt haben.«
    Pater Hoyt brach auf die Unterarme zusammen und atmete rasch und keuchend. »Sie elender Dreckskerl«, stöhnte er. Der Priester holte mehrmals trocken Luft, hielt den Atem an, bis sein Körper nicht mehr zitterte, und versuchte, sich zu erheben. Als er den Konsul ansah, stand so etwas wie Erleichterung in seinen Augen. »Dann … geben Sie mir … die Dosis?«
    »Ja«, sagte der Konsul.
    »Na gut«, stieß Hoyt in galligem Flüstern hervor. »Die Wahrheit. Perecebo-Plantage … Wie ich gesagt habe. Wir flogen …
Anfang Oktober … Lycius … Acht Jahre nachdem Duré … verschwunden war. O Gott, es tut so weh! Alkohol und Endos wirken gar nicht mehr. Nur … reines Ultramorph …«
    »Ja«, sagte der Konsul. »Sie bekommen es. Sobald die Geschichte zu Ende ist.«
    Der Priester senkte den Kopf.

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