Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
wiegte es und beschwichtigte es, aber das Weinen hörte nicht auf.
    »Ein angemessener Kommentar zu unserer Ankunft«, sagte Martin Silenus. Der Dichter trug ein langes, purpurnes Cape und ein rotes Barett, das bis auf die rechte Schulter reichte. Er trank einen Schluck aus dem Weinglas, das er aus dem Aufenthaltsraum mit herausgebracht hatte. »Christus am Kreuz, dieser Ort hat sich verändert!«
    Der Konsul, der nur acht hiesige Jahre fort gewesen war, musste zustimmen. Als er in Keats gelebt hatte, war der Raumhafen volle neun Klicks von der Stadt entfernt gewesen; jetzt umgaben Schuppen, Zelte und Lehmstraßen die Grenze des Landefelds. Zu Zeiten des Konsuls war nicht mehr als ein Schiff pro Woche auf dem winzigen Raumhafen gelandet; jetzt zählte er mehr als zwanzig Raumfahrzeuge auf dem Gelände. Das kleine Verwaltungs- und Zollabfertigungsgebäude war einer größeren Fertigbaustruktur gewichen, ein Dutzend neue Rückstoßgruben und Landungsbootrampen waren im Westen in Verlängerung des Geländes angebaut worden, und an den Grenzen standen Dutzende mit Schutzanstrichen überzogene Module, in denen sich, wie der Konsul wusste, von Bodenkontrollstationen bis zu Soldatenunterkünften alles Mögliche befand. Ein Wald exotischer Antennen wuchs aus einer Gruppe dieser Container am entgegengesetzten Ende des Landefelds himmelwärts.
    »Fortschritt«, murmelte der Konsul.

    »Krieg«, sagte Oberst Kassad.
    »Da sind Menschen « , sagte Brawne Lamia und deutete zum Haupttor des Terminals auf der Südseite des Felds. Eine Flut verwaschener Farben drängte wie stumme Brandung gegen den äußeren Zaun und das violette Schutzfeld.
    »Mein Gott«, sagte der Konsul, »Sie haben recht.«
    Kassad holte das Fernglas hervor, und nacheinander warfen sie einen Blick auf die Tausende von Menschen, die am Draht zerrten und sich gegen das Abwehrfeld drückten.
    »Warum sind sie hier?«, fragte Lamia. »Was wollen sie?« Selbst auf einen halben Kilometer Entfernung war die Willenskraft des Mobs beängstigend. Dunkle Gestalten von FORCE :Marines waren als Wachen entlang der Begrenzung zu erkennen, und ein Streifen kahlen Bodens zwischen dem Drahtzaun, dem Abwehrfeld und den Marines deutete mit ziemlicher Sicherheit auf Minenfelder oder Todesstrahlen oder beides hin.
    »Was wollen sie?«, wiederholte Lamia.
    »Sie wollen fort«, sagte Kassad.
    Noch bevor der Oberst gesprochen hatte, war dem Konsul klar geworden, dass die Zeltstadt um den Raumhafen und der Mob an den Toren unvermeidlich waren: Das Volk von Hyperion war zur Abreise bereit. Jedes Mal, wenn ein Schiff landete, musste ein derartiger stummer Ansturm auf die Tore erfolgen.
    »Nun, dort ist einer, der bleiben wird«, sagte Martin Silenus und deutete auf den flachen Hügel jenseits des Flusses im Süden. »Der olle weinende William Rex, Gott sei seiner sündigen Seele gnädig.« Das gemeißelte Gesicht des Traurigen Königs Billy war im leichten Nieselregen und der zunehmenden Dunkelheit gerade noch zu erkennen. »Ich habe ihn gekannt, Horatio«, sagte der betrunkene Dichter. »Ein Mann endloser Scherze. Und nicht einer davon war komisch. Ein echtes Arschloch, Horatio.«

    Sol Weintraub stand im Innern des Schiffes, schirmte sein Baby vor dem Regen ab und ließ es abseits der Unterhaltung weinen. Er deutete hinaus. »Es kommt jemand.«
    Ein Bodenfahrzeug mit feuerfestem Polymerschutzanstrich und ein militärisches EMV, dessen Hover-Rotoren dem schwachen Magnetfeld von Hyperion angepasst worden waren, überquerten den feuchten gestampften Boden.
    Ohne den Blick vom drögen Antlitz des Traurigen Königs Billy anzuwenden sagte Martin Silenius in einer Stimme, die so leise war, dass man sie kaum hören konnte:
    »Tief in der schattigen Schwermut eines Tals
Versenkt fern von des Morgens starkem Atem
Vom Mittagsbrand und abends einem Stern
Saß grau von Haar Saturn, still wie ein Stein,
Still wie das Schweigen um sein Lager her.
Forst über Forst hing ihm rund um sein Haupt
Wie Wolk an Wolk …«
    Pater Hoyt kam auf den Balkon und rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. Seine Augen waren groß und verschwommen  – wie ein Kind, das aus seinem Schläfchen erwacht war. »Sind wir da?«, fragte er.
    »Aye, verdammt«, rief Martin Silenus und gab dem Oberst das Fernglas zurück. »Gehen wir nach unten und begrüßen wir die Gendarmen!«
     
    Der junge Leutnant der Marines schien auch dann nicht von der Gruppe beeindruckt zu sein, als er die Befugnissiegelmarke gesehen hatte,

Weitere Kostenlose Bücher