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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gebrochen, wo die Kapelle stehen wird, und eine Entdeckung gemacht: die Ableiterpflöcke. Die Bikura müssen sie über den Rand geworfen haben, als sie Tuk in der Nacht vor zweihundertdreiundzwanzig Tagen ermordet haben.
    Diese Pflöcke würden mir ermöglichen, jederzeit den Flammenwald zu durchqueren, wenn die Kruziform es zulassen würde. Aber das duldet sie nicht. Wenn sie nur meine Reiseapotheke mit den Schmerzmitteln nicht vernichtet hätten! Trotz allem: Als ich heute dort saß und die Pflöcke in Händen hielt, ist mir eine Idee gekommen.
    Meine behelfsmäßigen Experimente mit dem Medscanner habe ich fortgesetzt. Als sich Theta vor drei Wochen das Bein an drei Stellen gebrochen hat, habe ich die Reaktion der Kruziform beobachtet. Der Parasit gab sich größte Mühe, die Schmerzen abzuhalten; Theta war fast die ganze Zeit bewusstlos, und sein Körper hat Unmengen Endorphine produziert. Aber der Bruch war äußerst schmerzhaft, und so haben die Bikura Theta nach vier Tagen die Kehle durchgeschnitten und
die Leiche in die Basilika getragen. Es war leichter für die Kruziform, den Leichnam wiederzuerwecken als über einen längeren Zeitraum hinweg solche Schmerzen zu erdulden. Aber vor seiner Ermordung zeigte mir der Scanner einen deutlichen Rückgang der Kruziformnematoden aus verschiedenen Teilen des zentralen Nervensystems.
    Ich weiß nicht, ob es möglich ist, sich selbst ein Ausmaß nicht tödlicher Schmerzen zuzufügen – oder sie zu erdulden –, die ausreichen würden, die Kruziform völlig zu vertreiben, aber eines ist gewiss: Die Bikura würden es nicht zulassen.
    Heute sitze ich auf dem Sims unter der halb vollendeten Kapelle und denke über verschiedene Möglichkeiten nach.
     
    TAG 438:
    Die Kapelle ist fertiggestellt. Sie ist mein Lebenswerk.
    Als die Bikura heute zu ihrer täglichen Parodie eines Gottesdienstes in die Kluft hinabgestiegen sind, habe ich vor dem Altar der Kapelle die Messe gelesen. Ich habe das Brot aus Chalmamehl gebacken und bin sicher, es muss nach diesen weichen, gelben Blättern geschmeckt haben – aber für mich schmeckte es genau wie die erste Hostie, die ich bei meiner ersten heiligen Kommunion vor rund sechzig Standardjahren in Villefranche-sur-Saône bekommen habe.
    Morgen werde ich ausführen, was ich geplant habe. Alles ist bereit: Meine Tagebücher und Medscanausdrucke verstaue ich in einer Tasche aus geflochtenen Asbestfasern. Mehr kann ich nicht tun.
    Der geweihte Wein war nur Wasser, aber im düsteren Licht des Sonnenuntergangs hat es blutrot ausgesehen und wie Abendmahlswein geschmeckt.
    Der Trick besteht darin, tief genug in den Flammenwald einzudringen. Ich muss hoffen, dass die Teslabäume auch in Ruheperioden ausreichend Aktivität zeigen. Leb wohl, Edouard.
Ich bezweifle, dass du noch am Leben bist, und solltest du es sein, sehe ich keinen Weg, wie wir beide wieder vereint sein können, sind wir doch nicht nur in Jahren und Weiten getrennt, sondern auch durch eine viel breitere Kluft in Form eines Kreuzes. Meine Hoffnung, dich wiederzusehen, gilt nicht diesem Leben, sondern dem nächsten. Seltsam, mich so reden zu hören, oder nicht? Ich muss dir sagen, Edouard, nach vielen Jahrzehnten der Unsicherheit und trotz der großen Angst vor dem, was vor mir liegt, haben mein Herz und meine Seele dennoch Frieden gefunden.
    O Du mein Gott
Ich bereue von Herzen, dass ich Dich geschmäht habe,
Und verabscheue alle meine Sünden
Wegen des Verlustes des Himmelreichs
Und der Qualen der Hölle,
Aber am meisten, weil ich Dich geschmäht habe,
Mein Gott,
Der Du gut bist
Und all meine Liebe verdienst.
Ich bin fest entschlossen, mit Deiner Barmherzigkeit
meine Sünden zu beichten, Buße zu tun
Und mein Leben zu bessern.
Amen.
    24:00 Uhr:
    Das Licht des Sonnenuntergangs fällt durch das offene Fenster der Kapelle und taucht den Altar, den grob geschnitzten Abendmahlskelch und mich selbst in Helligkeit. Der Wind von der Kluft schwillt zum letzten Chor an, den ich – mit Glück und Gottes Gnade – je hören werde.
     
    »Das ist der letzte Eintrag«, sagte Lenar Hoyt.

    Als der Priester zu lesen aufhörte, hoben die sechs Pilger am Tisch die Köpfe und sahen ihn an, als würden sie aus einem gemeinsamen Traum erwachen. Der Konsul blickte nach oben und stellte fest, dass Hyperion jetzt viel näher war, ein Drittel des Himmels einnahm und die Sterne mit seinem kalten Glanz verdrängte.
    »Ich traf zehn Wochen, nachdem ich Pater Duré zum letzten Mal gesehen

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