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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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wiederentdeckt, wie ich sie nicht mehr erlebt habe, seit wir beide Knaben waren. Ich verstehe jetzt die Notwendigkeit des Glaubens – puren, blinden, jeglicher Vernunft trotzenden Glaubens – als eines kleinen Schutzes des Lebens im wilden und endlosen Meer eines von gnadenlosen Gesetzen beherrschten Universums, das die winzigen denkenden Wesen, die es bewohnen, mit völliger Gleichgültigkeit betrachtet.

    Tag für Tag habe ich versucht, das Gebiet der Kluft zu verlassen, und Tag für Tag habe ich Schmerzen erdulden müssen, die so schrecklich waren, dass sie zum greifbaren Bestandteil meiner Welt geworden sind, wie die zu kleine Sonne oder der grüne und türkisfarbene Himmel. Der Schmerz ist mein Verbündeter geworden, mein Schutzengel, mein letztes Bindeglied zur Menschlichkeit. Die Kruziform mag keine Schmerzen. Ich auch nicht, aber ich bin – wie die Kruziform – durchaus bereit, sie so einzusetzen, dass sie meinen Zwecken dienen. Und ich werde es bewusst tun, nicht instinktiv wie die hirnlose Masse fremden Fleisches, die in mich eingebettet ist. Dieses Ding trachtet nur danach, den Tod um jeden Preis zu vermeiden. Ich will auch nicht sterben, nehme aber lieber Schmerz und Tod auf mich als ein ewiges Leben, ohne zu denken. Das Leben ist heilig – das betrachte ich immer noch als Kernsatz kirchlichen Lehrens und Denkens in den vergangenen zweitausendachthundert Jahren, da das Leben so billig gewesen ist –, aber noch heiliger ist die Seele.
    Mir ist inzwischen klar geworden: Ich wollte der Kirche mit den Daten von Armaghast keine Wiedergeburt anbieten, sondern den Übergang zu einem falschen Leben, wie es diese armen wandelnden Leichen führen. Wenn die Kirche sterben soll, so soll es geschehen – aber ruhmreich, im vollsten Wissen ihrer Wiedergeburt in Christus. Sie muss nicht willentlich, aber mit Anstand in die Dunkelheit gehen – tapfer und festen Glaubens – wie die Millionen, die vor uns gegangen sind, im Glauben vereint mit allen Generationen, die sich dem Tod in der isolierten Stille von Konzentrationslagern und nuklearen Feuerbällen und Krebsstationen und Pogromen ausgesetzt gesehen haben; und wenn sie schon nicht voll Hoffnung in die Dunkelheit gehen kann, dann zumindest mit Gebeten, dass es einen Grund für alles gibt, der den Preis des Leids und der vielen Opfer wert ist. Alle vor uns mussten ohne Trost
von Logik oder Fakten oder überzeugenden Theorien in die Dunkelheit gehen, lediglich mit dem dünnen Faden der Hoffnung oder der allzu leicht zu erschütternden Überzeugung des Glaubens. Und wenn sie diese schwache Hoffnung im Angesicht der Dunkelheit aufrechterhalten konnten, dann muss ich es auch – und die Kirche auch.
    Ich glaube nicht mehr, dass ein chirurgischer Eingriff oder eine Behandlung mich von diesem Ding befreien kann, das mich befallen hat, aber wenn es jemand trennen und studieren und vernichten kann, sei es auch um den Preis meines Lebens, werde ich zufrieden sein.
    Die Flammenwälder werden nicht mehr ruhiger werden als jetzt. Zu Bett. Ich breche vor der Dämmerung auf.
     
    TAG 215:
    Es gibt keinen Weg hinaus.
    Vierzehn Kilometer in den Wald eingedrungen. Vereinzelte Feuer und elektrische Entladungen, aber passierbar. Ein Fußmarsch von drei Wochen, und ich wäre durch gewesen.
    Aber die Kruziform lässt mich nicht gehen. Die Schmerzen waren wie ein Herzanfall, der nicht aufhört. Dennoch taumelte ich weiter und stolperte und kroch durch die Asche. Schließlich verlor ich das Bewusstsein. Als ich aufwachte … kroch ich zur Kluft! Ich drehte mich um, ging einen Kilometer, kroch fünfzig Meter, verlor wieder das Bewusstsein und kam dort zu mir, wo ich losgegangen war. Den ganzen Tag dauerte dieser wahnsinnige Kampf um meinen Körper an.
    Vor Sonnenuntergang kamen die Bikura in den Wald, fanden mich fünf Kilometer von der Kluft entfernt und trugen mich zurück.
    Lieber Gott, wie konntest du das zulassen? Jetzt gibt es keine Hoffnung mehr – wenn nicht jemand nach mir suchen kommt.

     
    TAG 223:
    Wieder ein Versuch. Wieder Schmerzen. Wieder gescheitert.
     
    TAG 257:
    Ich werde heute achtundsechzig Standardjahre alt. Ich arbeite weiter an der Kapelle, die ich in der Nähe der Kluft baue. Habe gestern versucht, zum Fluss hinunterzusteigen, wurde aber von Beta und vier anderen zurückgeholt.
     
    TAG 280:
    Ein hiesiges Jahr auf Hyperion. Ein Jahr im Fegefeuer. Oder ist es die Hölle?
     
    TAG 311:
    Habe heute Steine aus den Felswänden unter dem Sims

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